Bioplastik ist gut für die Umwelt, Veganer zerstören den Regenwald und Palmöl sollten wir durch andere Öle ersetzen – ganz so einfach ist es nicht. Wir haben fünf verbreitete Öko-Irrtümer aufgedeckt.
1. „Wer Sojaprodukte isst, zerstört den Regenwald.“
Das ist ein Satz, den Vegetarier und Veganer nicht selten zu hören bekommen. Richtig ist, dass sehr viel Soja in Südamerika angebaut wird, auch auf ehemaligen Regenwaldflächen. Aber nicht der Hunger nach Soja-Würstchen und Tofu-Schnitzel sorgen für die Rodung des Regenwaldes, sondern die Viehhaltung ist dafür verantwortlich.
Abgeholzt wird der Regenwald nämlich vor allem, um Soja als Futtermittel für Tiere anzubauen. 80 Prozent des angebauten Sojas wird zu Sojaschrot verarbeitet und landet dann in den Futtertrögen der Tiere (siehe WWF).
„Die zunehmende Nachfrage von Soja als Futtermittel für die Viehhaltung [ist der Grund für] die Ausweitung der heutigen Anbauflächen“, schreibt der WWF. So sei zwischen 1960 und 2009 die Nachfrage nach Soja um das fast Zehnfache gestiegen. Besonders in Argentinien und Brasilien wurden Flächen größer als Portugal und Ungarn zusammen als Soja-Anbaufläche erschlossen. Gefährdete Ökosysteme wie die Savanne und der tropische Regenwald in Brasilien werden dadurch zerstört.
Gerodete Regenwälder in Südamerika und der deutsche Fleischhunger – das hängt fast unmittelbar zusammen. Denn in Europa wird nur wenig Soja angebaut, das meiste wird nach Deutschland importiert: Über 80 Prozent kommt aus Südamerika.
Doch nicht nur die Regenwaldrodung lässt einem das Steak trocken den Hals herunterrutschen: Fleisch und Wurst haben pro Kilo einen sieben- bis 28-fach höheren CO2-Ausstoß als Gemüse und auch Milch und Käse tragen in einem „beträchtlichem Ausmaß zum Klimawandel bei“, schreibt das Umweltbundesamt (UBA). Durch das Wiederkäuen von Rindern, Schafen und Ziegen entstehen Methan-Emissionen, die unser Erdklima anheizen.
Mehr lesen: Vegan regional: Soja und Seitan gibt’s auch aus Deutschland
2. „Andere Öle sind besser als Palmöl.“
Bleiben wir beim Regenwald, wenn auch nicht dem südamerikanischen. Für Palmöl brennt der Regenwald – dieses Wissen ist bei vielen Konsumenten angelangt. Leider findet sich das pflanzliche Öl der ergiebigen Ölpalme in sehr vielen Produkten des täglichen Bedarfs. Brotaufstrich, Schokoriegel oder Seife – Palmöl ist überall. Der hohe Verbrauch führt dazu, dass Ölpalmen auf immer größeren Flächen angebaut werden. Für diese Plantagen werden vor allem in Südostasien Regenwälder abgeholzt und abgebrannt.
Sollte die Industrie nun Palmöl komplett verbannen und andere Öle für die Produktion von Aufstrichen, Süßigkeiten und Kosmetikprodukten nehmen? Die meisten Experten und Umweltschützer sind sich einig, dass die komplette Umstellung auf andere Öle mindestens ebenso große Umweltprobleme mit sich bringen würde. Denn: Andere Öle wie etwa Kokosöl, Rapsöl oder Sonnenblumenöl brauchen viel mehr Fläche und würden bei der Massenproduktion mehr Treibhausgase verursachen.
Für die Palmölproblematik gibt es nicht die eine Lösung, sondern drei mögliche Lösungsansätze: Wir Verbraucher sollten insgesamt weniger Palmöl konsumieren, ausschließlich Bio-Palmöl kaufen und die Industrie müsste einen Teil des verarbeiteten Palmöls durch heimische Öle wie Raps- und Sonnenblumenöl ersetzen.
Mehr zur umfangreichen Palmöl-Problematik in unserem ausführlichen Artikel Bio-Palmöl: zertifizierte Zerstörung oder echte Alternative?
3. „Wasser sparen ist immer sinnvoll“
Weg vom Regenwald, hin in die eigenen vier Wände: 121 Liter Wasser verbraucht jeder Deutsche am Tag. Bis zu sieben Liter rauschen bei einer einzigen Toilettenspülung die Kanalisation hinunter. Aufkleber wie „Spülstopp – für die Umwelt“ fordern zum Verkürzen des Spülvorgangs auf. Macht es Sinn, hier Wasser zu sparen? Oder führt das Wassersparen im Gegenteil – so ein häufiges Argument – zu verstopften Rohren?
„Wasser ist ein Transportmittel“, sagt Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben, und das transportiert im Idealfall nur menschliche Fäkalien nach unten. Doch leider würden viel zu oft Tücher, feuchtes Toilettenpapier oder anderer Unrat im Abwasser landen, so Natz. Verstopfungen in der Hauptleitung seien die Folge. Die Wasserbetriebe müssen dann aufwendig die Rohre freilegen. Erst kürzlich mussten Kollegen von Natz in Berlin ausrücken und die Straße aufmeißeln. Grund war eine Verstopfung, die „vielleicht nicht entstanden wäre, wenn richtig gespült worden wäre“, so Natz.
Den Wasserverbrauch bei der Toilettenspülung beispielsweise sieht er gelassen, moderne Spülkästen würden nur noch die Hälfte des Wassers im Vergleich zu vor zehn oder 15 Jahren verbrauchen. „In Deutschland herrscht kein Wassermangel und der Wasserverbrauch ist eher rückläufig“, fügt Natz hinzu. Im Klartext also: Die Wasserverschmutzung durch Dinge, die nicht in die Toilette gehören, ist ein deutlich größeres Problem als der Wasserverbrauch.
Wasser verschwenden sollten wir trotzdem nicht – tropfende Wasserhähne sollten wir reparieren lassen und Vollbäder auf ein Minimum reduzieren. „Wasser ist ein wertvolles Gut und jedes Wasser, das in die Kanalisation geht, muss aufwendig aufbereitet werden“, sagt Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Es ist bei uns jedoch auch nicht nötig, pedantisch Wasser zu sparen – das gilt aber nur für kaltes Wasser. Ob zum Duschen, für die Waschmaschine oder für den Geschirrspüler – Wasser zu erhitzen kostet viel Energie und darum macht es unbedingt Sinn, warmes Wasser zu sparen.
Mehr lesen: Ist Wasser sparen Unsinn?
4. „Bioplastik ist besser.“
Raus aus dem Badezimmer und rein in die Küche: Obst- und Gemüseabfälle gehören in den Biomüll. Aus dem wertvollen Bioabfall kann Kompost entstehen oder er dient als Nahrung für Biogasanlagen. Doch wie den Biomüll aus der Küche in die Tonne befördern? Tüten aus kompostierbarem und biologisch abbaubarem Bioplastik, zum Beispiel aus Maisstärke, versprechen eine besonders umweltfreundliche Entsorgung, schließlich dürfen sie in die Biotonne – oder nicht?
„Bioplastiktüten werden gegenwärtig in der Sortieranlage nicht als solche erkannt und können sogar die Recyclingprozesse schädigen“, erklärt Rolf Buschmann vom BUND. Ob nun kompostierbar oder eine alte Supermarktüte – in der Kompostieranlage sieht im Biomüll beides gleich aus und wird somit aussortiert. Buschmann hält daher nichts von den Bioplastiktüten: „Zum aktuellen Zeitpunkt können wir keine bioabbaubaren Kunststoffe empfehlen.“ Und damit meint er nicht nur Bioplastiktüten, sondern ebenso andere Bioplastikprodukte wie Joghurtbecher oder Einmal-Geschirr.
Bioplastiktüten können also nicht gesondert behandelt werden in der Sortieranlage. Hinzu kommt, dass bis zur vollständigen Kompostierung mehr Zeit vergeht, als der restliche Biomüll zum Verrotten braucht – spätestens dann würde es ein Bioplastik-Problem im wertvollen Kompost geben.
Da die Definition von Bioplastik nicht einheitlich ist, gibt es viele Produkte mit unterschiedlichen Rottezeiten und Materialzusammensetzungen – darunter auch Produkte mit Erdöl-Anteilen, so der BUND. Ein weiteres Problem von Bioplastik: Der Anbau der pflanzlichen Rohstoffe zur Bioplastikherstellung steht unter Umständen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.
Wann wäre Bioplastik eine wirkliche Alternative zum konventionellen Plastik? „Nur, wenn man es eindeutig sammeln könnte“, so Buschmann. Eine Lösung dafür wäre, nur noch abbaubare Tüten auf den Markt zu bringen – somit gäbe es kein Entweder-oder in der Sortieranlage, schließlich wären dann im Idealfall alle Tüten im Müll kompostierbar.
Wohin also mit den Bioplastiktüten? Nicht in den Biomüll, auch nicht in die Wertstofftonne (da die Bio-Tüten nicht recycelt werden können) – sondern in die graue Restmülltonne. Für den Biomüll gilt auf jeden Fall: Lass den Biomülleimer „tütenfrei“ oder kleide ihn mit etwas Zeitungspapier aus. Das saugt die Feuchtigkeit auf und sorgt für besseren Transport zur großen Biomülltonne oder zum Kompost. Allerdings sollten Verbraucher auch mit Zeitungspapier sparsam umgehen, denn zu viel Druckerschwärze habe nichts im Biomüll zu suchen, so Rolf Buschmann und empfiehlt, den Biomülleimer nach der Leerung mit ein paar Tropfen Spülmittel und warmem Wasser auszuspülen.
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5. „Pfandflaschen sind umweltfreundlich.“
Ist eine Plastikflasche ausgetrunken, sammeln wir sie meist im Pfandflaschen-Beutel, um sie bei der nächsten Gelegenheit im Supermarkt zurückzugeben. „Jede Flasche zählt, helfen Sie mit – recyceln Sie mit!“ warb Anfang des Jahres Discounter Lidl für seine Einweg-Plastikflasche. Kein Wunder, dass Konsumenten da schnell auf die falschen Fährte geraten – denn Pfandflaschen sind nicht so umweltfreundlich wie oft dargestellt.
Einweg-Flaschen werden – anders als Mehrweg-Flaschen – nicht wieder befüllt, sondern nach einmaligem Verwenden geschreddert und recycelt. Beim Recycling nimmt aber die Qualität des Kunststoffs ab. Aus einer Einweg-Flasche wird darum in der Regel nicht wieder eine Einweg-Flasche, wie man meinen könnte. Recycelter Kunststoff muss meist mit neuem Kunssttoff gemischt werden, um ein neues Produkt herzustellen – und der wird fast immer auf Basis von umweltschädlichen Erdöl hergestellt.
Einweg-Flaschen-Recycling mag im besten Fall verhindern, dass die Flaschen gleich nach dem einmaligen Gebrauch im Müll oder sonstwo landen, aber es ist ein extrem energie- und ressourcenintensiver Vorgang.
Plastikflaschen sollte man prinzipiell so weit wie möglich meiden – sie sind sowohl für die Gesundheit als auch für die Umwelt bedenklich. Vor allem aber Einweg-Flaschen: „Nach wenigen Minuten Gebrauch werden Plastikflaschen zu Müll und können in Flüssen, Seen und Meere Jahrhunderte überdauern und diese Ökosysteme schädigen“, kritisiert der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Jürgen Tesch.
Auch das Umweltbundesamt (UBA) rät von Einweg-Flaschen ab und meint, dass Wasser aus dem Hahn das umweltfreundlichste Getränk sei. Wenn es gekauftes Wasser sein soll, dann seien Mehrwegflaschen – am besten aus der Region – die richtige Wahl.
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