Die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel ist umstritten: Wo steckt eigentlich heute schon Gentechnik drin – und wie kannst du GMOs vermeiden?
Unlängst setzte der Europäische Gerichtshof durch, dass genveränderte Lebensmittel auch in Zukunft gekennzeichnet werden müssen – das gilt auch für neue Methoden des Genetic Engineering. Wohlgemerkt: Da wurde nicht etwa Gentechnik verboten, wie gerne behauptet wird, sondern nur die Kennzeichnung durchgesetzt – damit die Konsumenten die Chance haben, selbst zu entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel essen wollen oder nicht.
Doch schon die Kennzeichnung von Gen-Food führt zu hitzigen Debatten – und immer neue Verhandlungen über die Köpfe der Verbraucher hinweg zu reichlich Verwirrung: Was gilt jetzt? Gibt es genmanipulierte Produkte bei uns schon zu kaufen? Und wenn ja, wie erkennt man sie?
GMOs vermeiden: Was heißt „genetisch verändert“?
Genetisch veränderte Lebensmittel (GMV, englisch GMO) bestehen ganz oder teilweise aus Stoffen, deren natürliches Erbgut künstlich verändert wurde. Hersteller können zum Beispiel Samen mit veränderter DNS-Struktur auf den Markt bringen – sie sollen oft gegen einen bestimmten Schädling resistent, besonders groß oder haltbar sein.
Tierische Produkte können bereits als GMO gelten, wenn die Tiere mit Futtermittel aus genetisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden. Doch auch die Tiere selbst sollen verändert werden. Forscher züchteten bereits einen transgenen Lachs mit fremdem Wachstumshormon. Teilweise werden auch Mikroorganismen wie Enzyme modifiziert und Lebensmitteln beigemischt.
Gentechnisch verändert: Sind GMOs schädlich?
Die Langzeitfolgen solcher Eingriffe sind nur schwer abzuschätzen. In Deutschland ist der Anbau von GMO-Gemüse daher verboten. Für den Import gelten schwere Richtlinien und Kennzeichnungspflicht. In der Regel kannst du auf der Zutatenliste einen Hinweis finden, wenn ein Lebensmittel aus genetisch veränderten Zutaten besteht.
Aber sind GMOs denn wirklich schädlich? Da bis jetzt kaum Langzeitstudien zum Thema existieren, ist die Antwort umstritten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) argumentiert, dass Länder, in denen Gen-Foods schon länger etabliert sind, keine Hinweise auf schädliche Auswirkungen liefern.
Das Umweltinstitut München weist darauf hin, dass Grundlage für die Zulassung in Europa Daten aus Ländern seien, in denen der gentechnisch veränderte Organismus (GVO) bereits zugelassen sei. Meist handle es sich dabei um Daten aus den USA; die dortigen Zulassungsbehörden (FDA und EPA) verfügten jedoch über kein System für Sicherheitsüberprüfungen und bewilligten GVO nach dem Prinzip freiwilliger Konsultationen. „Das bedeutet, dass die Konzerne frei entscheiden können, ob und welche Informationen sie zurückhalten. Im Endeffekt lassen die Agro-Konzerne ihre Produkte also selbst zu.“, heisst es hier.
Über die Hintertür in unsere Läden
Gentechnisch veränderte Kartoffeln, Tomaten oder Salatköpfe würde hierzulande wohl kaum jemand kaufen. Deutsche Verbraucher sind kritisch gegenüber Gentechnik – über die Hintertür findet sie trotzdem Eingang in unsere Läden.
Welche Auswirkungen Gen-Produkte auf die Gesundheit haben, ist aufgrund fehlender Langzeitstudien noch immer unklar. Institutionen wie Greenpeace warnen davor, dass genetisch veränderte Lebensmittel allergische Reaktionen auslösen können. Das Umweltinstitut München nennt sie ein „nicht zu kontrollierendes Risiko“. Sicher ist: Wer sie kauft, unterstützt mit seinem Geld eine riskante Technologie.
Die meisten Gen-Produkte basieren auf gentechnisch veränderten Pflanzen – sie gefährden die Artenvielfalt und breiten sich unkontrolliert aus. Einige von ihnen wurden gezielt so gezüchtet, dass sie gegen Pestizide resistent sind – so können Bauern Unkrautpflanzen und Schädlinge besser bekämpfen, Pflanzenschutzmittel allerdings auch großflächiger einsetzen. Andere Züchtungen sind von Pestiziden besonders abhängig.
Gentechnik im Tierfutter
Der Großteil aller Gen-Pflanzen (Raps, Soja und Mais) wird zu Tierfutter verarbeitet. In der konventionellen Tierhaltung ist Gen-Futter daher keine Ausnahme, sondern die Regel – auch in Deutschland. Vor allem Gen-Soja aus Nord- und Südamerika wird bei uns verfüttert, weil der Bedarf an proteinreichem Tierfutter sonst nicht gedeckt werden könnte – die EU importiert zu diesem Zweck jährlich 35 Millionen Tonnen Gen-Soja.
Was kannst du tun?
Kaufe Lebensmittel mit (mindestens) EU-Bio-Siegel. Denn bei Bio-Lebensmitteln ist der bewusste Einsatz von Gentechnik generell nicht erlaubt.
Vorsicht: Wurst, Milchprodukte und Eier von Tieren, die mit Gen-Futter gefüttert wurden, müssen nicht gekennzeichnet werden. Lebensmittel mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel dürfen Tiere unter anderem innerhalb einer bestimmten Frist nicht mit Gen-Futter gefüttert worden sein – lies auch: Ohne-Gentechnik-Siegel: Was steckt dahinter?
Baumwolle – lieber Bio als Biotech
Rund 64 Prozent (Stand 2016) der heute weltweit angebauten Baumwolle ist gentechnisch verändert. In erster Linie wird die sogenannte Bt-Baumwolle verwendet, die besonders widerstandsfähig gegen bestimmte Schädlinge ist. Leider führt das dazu, dass sich andere Schädlinge vermehren bzw. Resistenzen entwickeln und weiterhin jede Menge Pestizide versprüht werden. Die Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung der Bt-Baumwolle ist groß.
Ob gentechnisch veränderte Baumwolle wirklich mehr Erträge liefert, ist umstritten. Bt-Baumwolle ist gegenüber schlechtem Wetter und anderen sekundären Schädlingen empfindlicher. Das Saatgut ist außerdem teurer, weil sich wenige Herstellerfirmen die Patente daran gesichert haben.
Was kannst du tun?
Kaufe Kleidung aus Bio-Baumwolle. Das GOTS-Siegel und das IVN-Siegel bieten dabei Sicherheit und Orientierung.
Gentechnisch veränderte Zusatzstoffe in Lebensmitteln
Einige Zusatzstoffe werden direkt aus Pflanzen hergestellt, die gentechnisch verändert sein können, z.B. Lecithin aus Soja oder Maltodextrin aus Mais. Diese müssen auch auf der Inhaltsstoffangabe als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. In unseren Supermärkten sind Produkte mit solchen Gen-Zusatzstoffen selten.
Zusatzstoffe, die mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden, müssen hingegen nicht gekennzeichnet sein. Möglich ist dies z. B. bei Vitamin B12, Ascorbinsäure und Glutamat. Gleiches gilt für Zusatzstoffe, die durch eine chemische Modifikation eines pflanzlichen Ausgangsstoffes hergestellt werden.
Was kannst du tun?
Man kann im Einzelfall nicht wissen, ob ein nicht kennzeichnungspflichtiger Zusatzstoff mit Gentechnik hergestellt wurde. Daher lautet das Gegenmittel hier: So wenig Lebensmittel mit Zusatzstoffen und E-Nummern wie möglich, dafür möglichst viel Produkte mit Bio-Siegel.
Gen-Mais
Mais wird in der Lebensmittelindustrie zum Beispiel zu Maismehl, Maisgluten, Maisgries oder Maisstärke verarbeitet. Solche Zutaten dürften auch bei uns aus Gen-Mais hergestellt werden, die Produkte müssten dann aber einen entsprechenden Hinweis auf der Inhaltsstoffliste tragen.
Deswegen findet man sie nicht in unseren Supermarktregalen. Denn die Unternehmen wissen, dass offenkundiges Gen-Food bei uns nur schwer an den Mann zu bringen ist.
Was kannst Du tun?
Vorsicht bei Import-Produkten, z.B. aus den USA – dort herrscht keine Kennzeichnungspflicht. Bereits heute sind über 100 Produkte aus Gen-Mais zugelassen – eine aktuelle Liste findest du hier.
(G)Enzyme
Die Industrie verwendet Enzyme, um eine Vielzahl von Produkten zu optimieren. Zum Beispiel Brötchen, Käse, Saft, Wein, Waschmittel und Zahnpasta. Dabei sind die Mikroorganismen, die die Enzyme herstellen, häufig gentechnisch verändert. Entsprechende Produkte müssen nicht gekennzeichnet werden, da Enzyme als technische Hilfsstoffe gelten und im Endprodukt keine Wirkung entfalten.
Das klingt zunächst harmlos, birgt aber Risiken: Enzyme werden zwar im Labor hergestellt, doch wenn die dazu verwendete Biomasse ausgedient hat, wird sie häufig als Düngemittel weiterverwendet. So können gentechnisch veränderte Mikroorganismen in die Umwelt gelangen.
Was kannst du tun?
Kauf ausschliesslich Bio ein, denn Bio-Unternehmen setzen keine gentechnisch veränderten Enzyme ein.
Pollen im Honig
In der EU gelten Pollen als „Bestandteil“ von Honig. Das hat Auswirkungen: Honig, der Pollen genveränderter Pflanzen enthält, muss daher rechtlich gesehen erst ab einem Pollen-Anteil von 0,9% als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden. Doch dieser Anteil wird, weil Pollen eben nur in kleinen Mengen vorhanden sind, faktisch nie erreicht.
Die Folge: Es gibt faktisch keine Kennzeichnung auch für Honig mit gentechnisch veränderten Bestandteilen. Das ist vor allem deshalb heikel, weil Honig häufig aus Ländern stammt, in denen genverändertes Getreide angebaut wird (z.B. Spanien, Rumänien, Südamerika, Kanada).
Was kannst du tun?
Kaufe Bio-Honig oder regionalen, deutschen Honig. Garantiert gentechnikfrei ist er mit den Siegeln der Bio-Anbauverbände (Demeter, Bioland, Naturland) bzw. mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel sowie regional erzeugter Honig – denn bei uns wächst (noch, fast) kein Gen-Getreide.
Mehr zum Thema: Öko-Test: diese drei Bio-Honig-Produkte sind ’sehr gut‘
Gastronomie – Gentechnik in den Fritten?
Die Kennzeichnungspflicht für genetisch veränderte Lebensmittel umfasst auch die Gastronomie. Die Verwendung von genveränderten Zutaten ist dort zwar selten – die vorgeschriebenen Hinweise in den Speisekarten aber leider noch seltener.
Gentechnisch veränderte Lebensmittel kommen in der Gastro vor allem in Form von Speiseölen zum Einsatz, die Restaurants über den Großhandel beziehen. Gerade Raps- und Sojaöl werden häufig zum Frittieren verwendet. Mehrere Sorten beider Pflanzen sind derzeit in der EU als Lebens- und Futtermittel zugelassen.
Was kannst du tun?
Besuche Bio-zertifizierte Restaurants oder solche aus dem Slow-Food-Guide. Nutze unsere „Nachhaltig-unterwegs-in…“-Artikel als Ausgangspunkt. Sei in normalen Restaurants kritisch und frage im Zweifelsfall nach, welches Öl in der Küche verwendet wird. Unter Umständen machst du den Wirt auf ein Problem aufmerksam, von dem er selbst nichts weiß.
Importierte Lebensmittel
Hierzulande lehnt der Großteil der Bevölkerung Gentechnik in Lebensmitteln ab. In anderen Ländern, beispielsweise in Kanada, den USA und in Asien ist das anders: Anbau und Verarbeitung von Gen-Getreide sind dort alltäglich.
Vor allem aus den USA importierte Süßigkeiten wie Schokoriegel, sowie Soja-Produkte aus dem Asia-Laden enthalten häufig gentechnisch veränderte Bestandteile. Es lohnt sich darum, die Zutatenlisten dieser Produkte ganz genau zu lesen – dort steht dann oft: „*hergestellt aus gentechnisch veränderten Zuckerrüben/ Soja/ Mais“ oder ein ähnlicher Hinweis.
Was kannst du tun?
Bevorzuge regionale Produkte und achte auf die Liste der Zutaten. Lies dazu auch die Anleitung: Lebensmittel-Zutatenliste richtig lesen.
Was haben Freihandelsabkommen wie CETA geändert?
Als das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada im September 2017 in Kraft trat, befürchteten viele, der Markt würde nun mit bedenklichen Lebensmitteln überschwemmt. Tatsächlich müssen aber auch kanadische Produkte nach wie vor dem EU-Standards entsprechen, bevor sie auf dem europäischen Markt erscheinen können. Wenn sie über 0,9 Prozent genmanipulierte Inhaltsstoffe enthalten, ist das klar gekennzeichnet. Wirf also bei neuen Produkten am besten einen Blick auf die Zutatenliste.
Genetisch veränderte Lebensmittel (GMOs)
Folgende fünf Regeln helfen, die meisten Gen-Klippen zu umschiffen:
- Bevorzuge Produkte mit EU-Bio-Siegel.
- Nimm Lebensmittel mi regionaler, mindestens EU-Herkunft.
- Achte auf das Siegel „Ohne Gentechnik„.
- Meide hochverarbeitete Fertigprodukte, nimm frische, unverarbeitete Bio-Ware (lies auch: Clean Eating).
- Achte bei verarbeiteten Produkten auf die Produktherkunft und die Zutatenliste, sieht bei den Zitaten Soja, Mais, Raps genau hin.
Weitere Infos beim BMEL, wertvolle Hilfe bietet auch der Einkaufsratgeber „Essen ohne Gentechnik“ von Greenpeace.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Fairtrade-Produkte & Bio-Lebensmittel – Marken und Shops
- Glyphosat: was du über das Unkrautvernichtungsmittel Roundup wissen solltest
- Filmtipp: 10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?
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