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Insider:innen legen Amazons Vernichtungsmaschinerie offen

Insider:innen legen Vernichtungsmaschinerie bei Amazon offen
Foto: Michel Spingler/AP/dpa / Screenshot: ZDF-Mediathek / Frontal

Babydecken, Laptops und Keyboards – Amazon zerstört weiterhin systematisch Ware. Das deckte eine aktuelle Recherche auf. Dabei sollte ein Gesetz genau diese Praxis verhindern.

Eine neue Recherche deckte auf: Amazon vernichtet systematisch neue oder neuwertige Waren. Business Insider und das ZDF-Magazin Frontal haben mit Insider:innen gesprochen und Aufnahmen veröffentlicht, die unter anderem Aufkleber mit dem Hinweis „Bitte vernichten“ zeigen.

Bereits 2018 legten Nachforschungen der Wirtschaftswoche und Frontal die Vernichtungspraxis von Amazon offen. Der US-Konzern gelobte damals Besserung. 2021 beispielsweise führte Amazon ein „Amazon Warehous“ ein, um Retouren und unverkaufte Lagerware günstig weiterzuverkaufen.

Aufnahmen zeigen Waren kurz vor Vernichtung

Doch dem aktuellen Bericht zufolge hat sich bis auf ein paar Bezeichnungen offenbar nur wenig bei Amazon geändert. Ein Amazon-Insider aus einem Logistikzentrum in Mitteldeutschland berichtet, wie Paletten voller Babydecken im Wert von jeweils 45 bis 60 Euro vernichtet worden sein sollen.

Um nachzuweisen, dass diese Praxis nicht nur in diesem Logistikzentrum stattfindet – also kein Einzelfall ist – haben Business Insider und Frontal über Monate mit Beschäftigten aus unterschiedlichen Standorten gesprochen. Sie möchten anonym bleiben.

Vernichtung finde „nicht palettenweise, sondern LKW-weise“ statt

Demnach erzählt ein Amazon-Informant: „Vernichtet wird weiter in jedem Fall.“ Es sei nicht erkennbar, dass es irgendwelche Veränderungen gibt. Das Einzige, was sich geändert habe, sei die Bezeichnung. „An manchen Standorten heißt es Aufbereitung oder ‚Remove‘. Amazon vermeidet das Wort ‚Destroy‘ (zerstören), um dem ganzen einen besseren Namen zu geben“, so der Insider. Die Vernichtung finde „nicht palettenweise, sondern LKW-weise“ statt – „In jedem Lager“, so ein Informant.

Vernichtet würden Produkte aus allen Preisklassen – von günstig bis hochwertig und teuer. Auch Laptops, Keyboards und Kettensägen seien dabei. Der Amazon-Informant prangert an, dass der Wert der Waren, die zerstört werden, den Stundenlohn von Mitarbeiter:innen übertreffe. Dies sei „gewaltig“.

Gesetz seit 2020 – zeigt jedoch nur wenig Wirkung

In Deutschland wurde 2020 das Kreislaufwirtschaftsgesetz verschärft. Die sogenannte Obhutspflicht soll Unternehmen strenger in die Verantwortung nehmen. Es schreibt vor, dass Unternehmen die Lagerung, den Transport und die Behandlung von Retouren so gestalten soll, dass sie gebrauchstauglich bleiben und nicht im Abfall landen.

Doch bisher existiert keine Rechtsverordnung zur Umsetzung der Obhutspflicht. Dadurch kann bisher kein Bußgeld erhoben werden. In den Augen einiger Beschäftigten nützt das Gesetz auch deshalb nicht, da niemand da sei, um Amazon zu kontrollieren.

Das sagt Amazon zu den Vorwürfen

Mit den Ergebnissen der Recherche konfrontierte Business Insider den Konzern. Eine Sprecherin erklärte, der Begriff „vernichtet“ sei irreführend, man habe diese „Produktmanagementkategorie in ‚entfernen‘ umbenannt, um die damit verbundenen Prozesse besser wiederzugeben.“ Außerdem werde weniger als ein Prozent der Amazon-eigenen Produkte entsorgt, so die Aussage. Produkte von Drittanbietern würden an diese zurückgeschickt, weshalb Amazon keinen Einblick darin habe, was mit der Ware geschieht.

Auch auf erneute Nachfrage äußerte sich die Sprecherin allerdings nicht zu den 1.840 Tonnen an Waren, die Amazon allein in Deutschland nur aus dem Bereich „Verschiedenes“ in anderthalb Jahren weggeworfen haben soll. Auf diese Zahl kam die Umweltschutzorganisation Greenpeace, der eine Liste mit der Menge an Waren vorliegt, die in Deutschland und anderen europäischen Ländern recycelt und vernichtet worden sein sollen.

Steuern auf gespendete Ware

Eine Herausforderung vor der Amazon steht, so ein Insider zum ZDF, sei die Umsatzsteuer, die noch immer auf gespendete Waren erhoben wird. Es sei daher für den Konzern günstiger Ware zu vernichten, statt sie zu spenden. Dem widersprach die Amazon-Sprecherin auf Nachfrage von Business Insider. Sie verwies auf die Menge an Produkte, die Amazon jedes Jahr spende.

Das zuständige Bundesfinanzministerium sagte Business Insider, dass es bereits eine „umsatzsteuerliche Regelung“ gebe, die das Spenden erleichtern soll, aber eine vollständige Abschaffung der Umsatzbesteuerung von Sachspenden „auf Grund der verbindlichen Vorgaben des Unionsrechts nicht möglich“ sei.

Die Politik ist in der Pflicht

Utopia meint: Recherchen wie diese zeigen, dass es dringend funktionierende Mechanismen braucht, um weitere Ressourcenverschwendung zu verhindern. Bislang wird ein System aufrecht erhalten, das die Zerstörung von Neuware und intakten Artikeln belohnt. Hieran etwas zu ändern ist in erster Linie Aufgabe der Politik – dazu gehört auch die Durchsetzung bestehender Gesetze. Gleichzeitig sollten wir uns als Verbraucher:innen überlegen, wo wir einkaufen und was wir wirklich benötigen.

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