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Kritik am Bürgergeld: Präsident des Handwerksverbands sorgt für Empörung

Handwerk
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay.de – Michal Jarmoluk

Das von der Regierung geplante Bürgergeld könne Geringverdienenden ihre Motivation nehmen, überhaupt arbeiten zu gehen, glaubt der Präsident des Handwerksverbands. Und bekommt ordentlich Gegenwind: Viele halten das für zynisch und fordern stattdessen höhere Löhne.

Der Handwerksverband sieht im Bürgergeld-Konzept der Bundesregierung falsche Anreize für Geringverdienende. „Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld„, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, der Rheinischen Post in einem Interview.

Handwerks-Präsident glaubt „dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt“

Auf die Frage, was er vom Bürgergeld halte, antwortete Wollseifer weiter: „Viele fragen sich, warum soll ich morgens um 7 Uhr schon arbeiten, wenn derjenige, der das Bürgergeld bezieht, fast das Gleiche bekommt.“ Er glaubt, dass unter anderem der geplante Wegfall von Sanktionen und die Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten dazu führen wird, „dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.“

„Sich lohnen“ würde also diesem Verständnis nach bedeuten: Das Bürgergeld bietet ein ähnliches Einkommen wie die Erwerbsarbeit. Das wirft die Frage auf, wie es sein kann, dass Angestellte nicht wesentlich mehr als 500 Euro monatlich verdienen – so der Tenor vieler Gegenstimmen im Netz. Der Kernpunkt der Kritik an Wollseifers Unterstellung: Wenn Betriebe befürchten, eine Sozialleistung wie das Bürgergeld könne die Erwerbsarbeit unattraktiv machen, liegt das Problem nicht in dieser Leistung, sondern in den zu niedrigen Löhnen.

Mehrere Fachleute, Betroffene und andere Kommentierende geben zudem zu bedenken: Bereinigt um die Inflationsrate betrage die Erhöhung gerade einmal um die 6 Euro im Monat.

Was ist das Bürgergeld?

Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung des Bürgergelds soll an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. Ab 1. Januar soll es die bisherigen Hartz-IV-Leistungen ersetzen.

Der Regelsatz des neuen Bürgergelds soll nach Heils Plänen für alleinstehende Erwachsene monatlich 502 Euro betragen. Damit würde der bisherige Hartz-IV-Satz ab nächstem Jahr um 53 Euro erhöht. Denn nach den Plänen der Regierung soll sich die Berechnungsweise ändern, nach der bisher die Hartz-IV-Regelsätze an die Inflation angepasst wurden und nun auch die zu erwartende künftige Inflation mit einbeziehen.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Alternative zum Bürgergeld?

Eine Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigte bereits im August, dass viele Langzeitarbeitslose die Bürgergeld-Pläne eher positiv einschätzen. Besonders interessant: 41 Prozent der Befragten gaben an, sich ehrenamtlich zu engagieren oder in der Nachbarschaftshilfe aktiv zu sein, über ein Drittel verdient sich demnach – meist in der Schattenwirtschaft – etwas hinzu. 

Das widerspricht zumindest teilweise der offenbar auch beim Handwerksverband verbreiteten Vorstellung, dass Menschen, die Sozialleistungen beziehen und nicht regulär angestellt oder selbstständig arbeiten, faul oder untätig seien.

Letzteres ist auch ein gängiges Argument gegen ein von verschiedener Seite immer wieder gefordertes bedingungsloses Grundeinkommen. Die Idee: Alle Menschen sollen ein Grundeinkommen in einer bestimmten Höhe bekommen, unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht. Einer der bekanntesten Verfechter war der verstorbene Dm-Gründer Götz Werner. Lies hier unser Interview mit Götz Werner

Diverse Experimente mit Varianten des Grundeinkommens zeigten bisher überwiegend: Die Empfänger:innen waren zufriedener, mutiger, was die Verwirklichung persönlicher Ziele anging und auch sozial engagierter als vorher.

Hier erfährst du mehr zum Thema: Bedingungsloses Grundeinkommen: Fünf Vor- und Nachteile des Konzepts

Utopia meint: Dass das Handwerk mit einem massiven Fachkräftemangel kämpft ist bekannt und die Angst verständlich, dass bald noch mehr Personal fehlen könnte. Doch mit seinen Äußerungen wirbt der Handwerks-Präsident nicht gerade für seine Branche. Im Gegenteil – seine Äußerungen lassen tief blicken: Zum einen offenbaren sie ein Bewusstsein dafür, dass die Löhne im Sektor oft viel zu niedrig sind zum Leben. Zum anderen unterstellen sie, dass Menschen lieber von Sozialleistungen leben würden als zu arbeiten. Das zeugt weder von einem fairen Menschenbild noch von der Absicht, Menschen fair zu behandeln. Die Empörung im Netz ist daher nachvollziehbar.

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