Superfoods wollen die neuen Superhelden unter den Lebensmitteln sein: Sie sollen unseren Blutdruck senken, uns beim Abnehmen helfen und sogar Krebs bekämpfen. Doch wie das mit Helden so ist: Unter dem bunten Kostüm von Superfood steckt selten was Besonderes…
Die Vorstellung ist verführerisch: einmal am Tag ein leckeres Nahrungsmittel mit Superkräften zu sich nehmen und schon ist man supergesund. Dass es ganz so einfach nicht geht, ahnen wahrscheinlich die meisten. Aber irgendwas muss doch dran sein am Hype um das Superfood?
Superfood: klingt erst mal gut…
Der Begriff Superfood ist nicht eindeutig definiert. Im Allgemeinen werden mit „Superfoods“ Lebensmittel bezeichnet, die reich an bestimmten Nährstoffen sind und sich dadurch besonders positiv auf die Gesundheit bzw. diverse gesundheitliche Faktoren auswirken sollen. Neben der Nährstoffdichte haben die sogenannten Superfoods gemeinsam, dass sie natürlich, nicht oder kaum verarbeitet und relativ kalorienarm sind – etwa bestimmte Beeren, Samen oder Früchte.
Zum Thema Superfood kursieren viele Listen, doch eine wirklich eindeutige Liste gibt es gar nicht, denn verschiedene Autoren und Experten fassen teils unterschiedliche Produkte unter dem Label zusammen. Zu den Superfoods zählen zum Beispiel:
- Chia-Samen,
- Acai-Beeren,
- Kakao,
- Goji-Beeren,
- Granatapfel,
- Spirulina und Chlorella,
- Maca-Wurzeln,
- Mandeln,
- Ingwer,
- Avocado,
- Papaya,
- Moringa,
- Kurkuma,
- Heidelbeeren,
- Rote Bete,
- Grünkohl,
- Aronia-Beeren,
- Leinsamen,
- Weizen- und Gerstengras
- … und je nach Quelle noch eine ganze Menge mehr.
Gepriesen wird das Superfood für verschiedenste, enthaltene Nährstoffe, etwa Antioxidantien, Omega-3-Fettsäuren, Calcium, Eiweiß, Eisen, diverse Vitamine, Beta-Carotin, Enzyme und Ballaststoffe. Während vielen der Superfoods eine heilende Wirkung bei bestimmten Beschwerden und Krankheiten (z.B. Bluthochdruck, Diabetes, Darmprobleme, Krebs) zugeschrieben werden, sollen andere bestimmte Körperfunktionen unterstützen – etwa den Muskelaufbau, den Stoffwechsel oder die Fruchtbarkeit. Wieder andere werden vor allem als Schönheits-, Schlankheits- oder Fitness-Mittel vermarktet.
…aber so richtig super ist Superfood dann doch nicht.
Man kann davon ausgehen, dass als Superfood beworbene Lebensmittel in der Tat hohe Konzentrationen bestimmter Nährstoffe enthalten, die nach derzeitigem Forschungsstand positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Diese sind in der Regel wissenschaftlich belegt – sonst dürfen die Produkte in der EU auch gar nicht mit dem Hinweis auf gesundheitliche Effekte verkauft werden. Soweit, so super.
Das Manko bei vielen der vermeintlichen Wundermittel: Die Wirkungen von Superfoods auf die menschliche Gesundheit werden meist nur unter Laborbedingungen erforscht. Dabei gehen die Wissenschaftler häufig von verhältnismäßig großen Mengen bzw. Konzentrationen der Nährstoffe aus – Mengen, die ein Mensch bei normalem Verzehr der entsprechenden Nahrungsmittel kaum zu sich nehmen kann. Zudem werden die Effekte bisher überwiegend im Tierversuch oder an Zellkulturen getestet – inwiefern sich die Ergebnisse aus diesen Versuchen auf den menschlichen Organismus übertragen lassen, ist nicht vollständig geklärt.
Angela Clausen, Lebensmittel-Expertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät außerdem zu Skepsis bei stark verarbeiteten Waren: „Inzwischen werden die Superfoods häufig als Zusatz in stark verarbeiteten Produkten vertrieben. Da stellt sich schon die Frage, wie viel gesundheitlichen Nutzen das noch hat.“ Sie empfiehlt: „Wenn man Superfoods zu sich nehmen möchte, dann sollte man definitiv besser die ganze Frucht essen als Pulver oder Kapseln.“
Mit anderen Worten: Superfoods können durch die enthaltenen Nährstoffe sicher Gesundheit und Körperfunktionen unterstützen. Die supergesunde Wirkung von Superfood ist aber höchstwahrscheinlich längst nicht so groß, wie die Hersteller und Händler gerne behaupten. Übrigens enthält zum Beispiel auch ein einfacher Apfel jede Menge Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente; in Tomaten stecken Antioxidantien und Pfifferlinge sind reich an Eisen. Siehe auch Regionale Alternativen zu Superfoods.
Superweite Transportwege statt regionale Superkräfte
Ein ernstes Problem ist die Nachhaltigkeits-Bilanz vieler Superfoods. Zahlreiche Beeren, Samen, Algen, Wurzeln und Früchte, die zur Zeit unter dem Label verkauft werden, stammen aus weit entfernten Ländern. Die Acai-Beere zum Beispiel wächst nur in Südamerika, Chiasamen stammen ebenfalls aus Südamerika oder sogar Australien, Kakao wird aus Afrika, Südamerika und Südostasien importiert, Goji-Beeren kommen meist aus China, der Granatapfel aus Asien oder dem Nahen Osten.
Die Transportwege für das vermeintliche Superfood sind damit unverhältnismäßig lang – für ein Lebensmittel, das einer gesunden Ernährung mit regionalen Produkten wenig hinzufügen kann. Die zweifelhafte gesundheitliche Wirkung kann auch dann einen solch langen, emissionsreichen Transport schwer rechtfertigen, wenn die Produkte aus biologischen Anbau stammen – zumal auch heimische Nahrungsmittel zu den „Superfoods“ gezählt werden.
Darum empfehlen wir: Wenn du trotz allem gerne Superfoods in deine Ernährung integrieren möchtest, dann iss vorzugsweise heimische Produkte wie Rote Bete, Heidelbeeren, Grünkohl, Aronia-Beeren, Leinsamen oder Weizengras. Achte aber beim Kauf unbedingt darauf, dass sie auch wirklich aus Deutschland stammen: Weizengras aus China braucht wirklich keiner. Bevorzuge Produkte mit EU-Bio-Siegel über konventionell produzierte.
Ein Superfood macht noch nicht supergesund
Vielleicht ist der Superfood-Hype ein Zeichen dafür, dass viele Menschen sich wieder stärker für die Heilkräfte der Natur interessieren – an sich keine schlechte Entwicklung. Die sogenannten Superfoods bergen aber die Gefahr, dass die Konsumenten ihr „Gesundheits-Gewissen“ damit beruhigen – ohne darüberhinaus auf einen gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung zu achten. „Kein Lebensmittel, eingeschlossen der als ‚Superfoods‘ bezeichnete, kann eine ungesunde Ernährung ausgleichen“, sagt Alison Hornby von der British Dietetic Association (BDA), dem Verband der britischen Ernährungswissenschaftler.
Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät, die exotischen Superfoods mit Vorsicht und am besten nur in kleinen Mengen zu genießen – auch aufgrund der Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern und möglicher Schadstoff-Belastungen. „Viele dieser Produkte, vor allem, wenn sie aus Asien stammen wie etwa die Goji-Beeren, sind mit Pestizidcocktails und Schwermetallen belastet. Auch wenn die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden: gesund ist das eher nicht.“ (Lies auch Öko-Test: Pestizide in Superfoods.)
Im Klartext: Einen Beilagensalat zum Wiener Schnitzel mit Pommes zu essen, dürfte das Gericht um genauso viel gesünder machen, wie einen Spirulina-Smoothie hinterher zu trinken. Nämlich gar nicht. Superfoods können – wenn überhaupt – unserer Gesundheit nur dann förderlich sein, wenn wir uns auch sonst gesund und ausgewogen ernähren und Sport treiben. Um sicherzustellen, dass wir ausreichend mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt sind, sollten wir also lieber auf Abwechslung und Vielfalt in der Ernährung sowie auf einen gesunden Lebensstil setzen als (ausschließlich) auf Superfood.
„Die Superfoods sind in Ordnung als Ergänzung zur normalen Ernährung – aber man sollte sich immer fragen: Gibt es nicht auch regionale Produkte mit demselben gesundheitlichen Nutzen?“, so Clausen.
Superfoods: vor allem ein superteurer Trend
Die Super-Beeren, -Samen, -Drinks-, -Pulver und -Pillen kosten oft eine Menge Geld. Das ist verständlich, zumindest dann, wenn das Produkt erst getrocknet, gemahlen, verpackt und um die halbe Welt transportiert werden muss. Nicht ganz so verständlich ist, warum wir soviel Geld für Produkte ausgeben sollen, deren Wirkung wir viel billiger haben können – und zwar, indem wir viel (regionales) Obst und Gemüse zu uns nehmen.
Einige Beispiele: 500 Gramm Goji-Beeren kosten im Online-Handel mindestens ca. 20 Euro, 500 Gramm Maca-Pulver um die 30 Euro, 500 g Chia-Samen mindestens 10 Euro. Zwar soll man von vielen Superfoods nur wenige Gramm pro Tag zu sich nehmen – als reine Nahrungsergänzungsmittel sind sie aber erst recht teuer. Eine Öko-Gemüsekiste vom Hof aus der Region mit 2-3 Kilogramm frischem Gemüse kostet übrigens um die 15 pro Lieferung…
Zur Bestenliste: Deutschlandweite Biokisten
Fazit: Die wahren Superhelden sind andere
Der Boom von Superfood spiegelt ein zunehmendes Bewusstsein für Ernährung und Gesundheit wieder – eigentlich eine gute Sache. Doch wirklich super wäre es, sich mehr mit der Herkunft und Produktionsweise unserer Lebensmittel zu beschäftigen und weniger auf aktuelle Trends zu geben.
Aus gesundheitlicher Sicht spricht zwar nichts dagegen, die sogenannten Superfoods mal auszuprobieren – aber auch nicht viel dafür. Jedenfalls dann nicht, wenn du dich sowieso halbwegs gesund ernährst. Und wenn nicht: Eine ausgewogene, vielseitige Ernährung mit viel Obst und Gemüse bringt deiner Gesundheit deutlich mehr als teure Superfoods.
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