Die Berichte über die zahlreichen Coronainfektionen in deutschen Schlachthöfen zeigen, wie problematisch die Zustände in der Fleischwirtschaft sind. Nicht nur für die Tiere – auch für die Menschen. Was können wir also tun, um die Ausbeutung in der Fleischindustrie zu beenden?
Fleisch gehört für die meisten Menschen noch immer wie selbstverständlich zur Ernährung dazu. Und das obwohl die Produktionsbedingungen in vielen Viehbetrieben und Schlachthöfen katastrophal sind – und das nicht nur für die Tiere: Die Fleischwirtschaft beutet auch Menschen radikal aus. Das wird durch die sich aktuell häufenden Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben sichtbar: Bundesweit haben sich in Schlachthöfen mehrere hundert Angestellte mit dem Coronavirus infiziert.
Schlachthöfe sind Hotspots für Corona-Infektionen
Der Grund: Damit die Supermärkte Hackfleisch für ein paar Cent anbieten können, werden menschenunwürdige und gesundheitsschädliche Zustände für die Beschäftigten in Kauf genommen – vom Leid der Tiere ganz zu schweigen.
Die Grünen fordern deshalb eine grundlegende Reform der Fleischproduktion in Deutschland. Unter anderem will Grünen-Chef Robert Habeck einen Mindestpreis für Tierprodukte, ein Verbot von Werkverträgen über Subunternehmen, bessere Haltungsbedingungen für Tiere, eine „korrekte Entlohnung“ der Mitarbeiter und eine Ausweitung der staatlichen Kontrollen in den Betrieben, schreibt welt.de. Auch die Aktivist*innen von Greenpeace fordern ein Ende des „Billig-Fleischsystems“.
Damit sich etwas am System ändert, können wir Parteien wählen, welche die Fleischindustrie ändern wollen, aktivistisch werden und Petitionen Unterschreiben. Aber auch durch unsere Konsumentscheidungen haben wir täglich die Wahl – und können etwas an den Zuständen ändern.
Ausbeutung in der Fleischindustrie: Was kannst du tun?
1. Finger weg von Billig-Fleisch und Billig-Milch
Man kann es nicht oft genug sagen: Billige Waren werden billig produziert. Um an einem 2-Euro-Schnitzel oder einem Liter Milch für 70 Cent noch etwas verdienen zu können, müssen Landwirt*innen die Ware so günstig wie möglich herstellen. Und billige Produktion bedeutet mehr oder weniger zwangsläufig: Produktion in industriellem Maßstab, billiges Futter und billige Haltungsformen für die Tiere und die prinzipielle Betrachtung des Tiers als Ware. Außerdem: schlecht bezahlte Mitarbeiter*innen und Leiharbeiter*innen, die in Sammelunterkünften untergebracht sind und unsichere Arbeitsplätze in Kauf nehmen müssen.
Fakt ist: Wer im Discounter oder Supermarkt die billigsten Milch-, Eier– oder Fleischprodukte kauft, trägt zur Ausbeutung in den Ställen bei. Und weil viele jetzt reflexartig rufen werden „Aber ich kann mir die teureren Sachen nicht leisten“: Weniger kaufen = Geld sparen = mehr Geld für bessere Produkte zur Verfügung haben.
Wenn wir bereit sind, mehr Geld für Fleisch, Milchprodukte, Eier usw. zu bezahlen und Hersteller wählen, die auf das Tierwohl und gute Arbeitsbedingungen Wert legen (siehe unten), senden wir ein wichtiges Signal, sowohl an die Händler, als auch an die Produzenten: Dass uns tierische Produkte etwas wert sind – und die Arbeitskraft der Menschen, die sie herstellen.
2. Weniger Tierisches kaufen
Die Massen an tierischen Produkten, die wir konsumieren, können eigentlich gar nicht nachhaltig hergestellt werden. Die zahlreiche und immer verfügbare Billigware im Supermarkt verschleiert, dass es sich bei tierischen Erzeugnissen um aufwändig hergestellte, wertvolle Waren handelt – Waren, die man bewusst und in Maßen konsumieren sollte.
Wer weniger Fleisch, Eier oder Milchprodukte kauft, lernt, diesen Produkten wieder einen Wert beizumessen und entzieht der derzeitigen industriellen Massenproduktion seine Unterstützung. Allerdings: Auch wenn man selten tierische Produkte konsumiert, sollte man unbedingt darauf achten, dass diese aus vernünftigen Produktionsbedingungen stammen (siehe unten).
Alternative: Es mal ganz ohne versuchen. Das ist nicht – wie einige Menschen sicherlich kommentieren werden – radikal, sondern auch unter Klimaschutz-Aspekten vernünftig: Studien zeigen regelmäßig, dass der Konsum von tierischen Produkten und insbesondere Fleisch einen enormen Einfluss auf das Klima hat.
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Das gilt übrigens auch für das Essen außer Haus: Gerade in Restaurants oder Imbissen ist oft schwer nachzuvollziehen, woher Fleisch oder Milch stammt. Wer oft unterwegs isst, kauft damit oft unabsichtlich Produkte aus tierquälerischen Haltungsbedingungen. Halte die Augen offen: Fast überall gibt es inzwischen pflanzliche Alternativen.
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3. Fleisch und -Milchprodukte aus besserer Haltung kaufen
Natürlich werden auch auf Biohöfen die Tiere nicht zu Tode gestreichelt. Sie bleiben Nutztiere, also (Produzenten von) Handelsware. Aber: Die Bio-Verordnung schreibt deutlich strengere Standards für die Tierhaltung vor.
Mehr dazu: Bio-Siegel: Was haben die Tiere davon?
Dabei ist das grüne EU-Bio-Siegel nur der Mindeststandard: Die Bio-Anbauverbände – die wichtigsten sind Bioland, Naturland und Demeter – machen strikte Vorgaben dazu, wie viel Platz die Tiere haben müssen, welches Futter sie bekommen, welche Medikamente zugelassen sind und teils auch zu den Transporten und Methoden der Schlachtung.
Mehr Tipps: Worauf du beim Fleischkauf achten solltest
Jedem muss klar sein: Wenn wir weiterhin so viel Fleisch und Milch konsumieren wie bisher, ist auch mit der Bio-Haltung nicht viel gewonnen. Nur mit der Kombination aus 1. weniger tierischen Produkten und 2. dem Kauf von zertifizierten Bio-Produkten kann jeder dazu beitragen, das Tierleid in den Ställen zu reduzieren.
Dazu gehört aber auch, ehrlich mit sich selbst zu sein.
4. Ehrlich sein
„Ich esse ja eh ganz wenig Fleisch“ oder „Milch trinke ich ja gar nicht“ sagen sich viele und fühlen sich damit irgendwie weniger zuständig für die ganze Misere.
Die Zahlen zeigen aber: Rund 60 Kilogramm Fleisch isst jeder Deutsche statistisch gesehen im Jahr. Dazu kommen um die 50 Liter Milch und 24 Kilogramm Käse pro Kopf und Jahr – plus jeder Menge verarbeiteter Milcherzeugnisse (Quelle: Milchindustrie-Verband). Nur um die zehn Prozent der Deutschen leben „weitgehend“ vegetarisch oder vegan (vgl. AWA 2019).
Wenn all die Menschen, die sich selbst und anderen versuchen einzureden, dass sie ja gar nicht so viel Fleisch, Milch und Eier konsumieren, mal wirklich ehrlich wären, würden sie feststellen: Sie sind ein Teil des Problems.
Was also tun? Erstens: ehrlich den eigenen Verbrauch reflektieren – und höchstwahrscheinlich feststellen, dass er höher ist als gedacht. Und zweitens: das Ergebnis zum Anlass nehmen, etwas zu ändern. Das heißt nicht, dass du sofort vegetarisch oder vegan werden musst (obwohl das ein guter Schritt wäre). Aber den Fleisch- und Milchkonsum zumindest zu reduzieren und konsequent auf konventionelle Produkte zu verzichten, würde in der Summe schon einen großen Unterschied machen. Und vielleicht eines Tages die ständigen Tierleids-Skandale in den Ställen beenden.
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