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Markus Lanz drängt Gast zur Antwort auf Fleisch-Frage

Özdemir bei Lanz: Moderator drängt zur Antwort auf Fleisch-Frage
Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz

Fleisch in Deutschland wird immer billiger – zum Leidwesen zahlreicher Tiere, die unter schlimmen Bedingungen gehalten werden. Die Landwirtschaftspolitik muss sich ändern. Markus Lanz möchte von Cem Özdemir wissen, welche Konsequenzen das für Konsument:innen hat, und bringt den Bundesminister in Bedrängnis.

Abgemagerte Hühner, mit teils kahlen Stellen am Körper drängen sich dicht aneinander – das zeigen Videoaufnahmen bei Markus Lanz am Mittwochabend. Damit sich die Tierhaltung in Deutschland verbessert, braucht es politische Änderungen. Das hat sich Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, zum Ziel gesetzt, wie er in der Sendung sagt.

„Die gesamte Landwirtschaft muss sich ändern“

Die Landwirtschaftspolitik sei bisher geprägt von: „Höher, schneller, weiter, wachse oder weiche“, so Özdemir. „Wir haben irgendwann die Ställe nicht mehr den Tieren angepasst, sondern die Tiere den Ställen angepasst.“ Als Beispiel nennt er zusätzlich die Veränderungen bei der Schweinehaltung in den letzten zehn Jahren: „Wir haben die Hälfte der Schweinehalter, aber immer noch die gleiche Anzahl an Schweinen.“ Daher müsse man dieses System „auf neue Beine stellen“. Das betreffe sowohl die konventionelle Tierhaltung als auch den Bio-Bereich. „Die gesamte Landwirtschaft muss sich ändern“, so Özdemir.

Ein großes Problem sei der geringe Gewinn, den Landwirt:innen mit ihrem Fleisch erzielen. Von einem Euro für Schweinefleisch kämen gerade einmal 21 Cent beim Hersteller an. „Das ist doch dramatisch. Daraus finanzieren sie die eigene Familie, daraus zahlen sie Steuern und daraus sollen sie jetzt nach meinem Wunsch den Stall umbauen – mit weniger Tieren, mit mehr Platz. Das ist nicht machbar.“

„Ist Fleisch etwas für Besserverdiener?“

Doch wie ist das machbar, dass Tierhalter:innen mehr erwirtschaften? Das möchte Lanz wissen und versucht von Özdemir eine einfache Antwort auf die Frage zu bekommen. Über mehrere Minuten ist der Wortwechsel zwischen Lanz und Özdemir kaum auszuhalten. Lanz fällt Özdemir immer wieder ins Wort, weil er dem Politiker den Satz entlocken will: Fleisch werde teurer.

Markus Lanz drängt Cem Özdemir dazu seine Frage zu beantworten.
Markus Lanz drängt Cem Özdemir dazu, seine Frage zu beantworten. (Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz)

Doch das sagt Özdemir nicht. Er versucht unterschiedliche Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Landwirt:innen mehr Geld durch ihr Fleisch einnehmen könnten: „Über die Mehrwertsteuer, über ein Umlagesystem oder privatwirtschaftlich“. Dennoch sagt er: „Es wird nicht gehen, ohne, dass man beim Preis was macht“.

Aber ganz so einfach ist das nicht. Auch wenn Lanz seine Frage wiederholt stellt: „Ist Fleisch etwas für Besserverdiener – Grünen-Wähler?“ Özdemir antwortet, dass das derzeitige System das teuerste sei, „weil es katastrophale Klimakosten erzeugt, weil es katastrophale Daten beim Artenschutz erzeugt. Und die Ärmeren sind diejenigen, die es am meisten bezahlen.“ Die derzeitigen Fleischpreise gehen also nicht nur auf Kosten des Klimas.

„Wer sagt: Ich will Ramschpreise beim Fleisch, muss dann auch so ehrlich sein zu sagen, ich will eine Landwirtschaftspolitik, wo alle kleinen rausfliegen, wo wir nur noch große Betriebe haben mit genau diesen Bildern.“ (Anmerkung der Redaktion: Damit meint er die Bilder von kahlen, abgemagerten Hühnern.) Wer das ändern wolle, solle den Landwirtschaftsminister unterstützen, „dass wir das so ändern, dass es etwas mehr kostet, aber die Tiere gerecht gehalten werden“.

Markus Lanz hakt immer wieder nach und möchte wissen, ob Fleisch nun teurer wird.
Markus Lanz hakt immer wieder nach und möchte wissen, ob Fleisch nun teurer wird. (Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz)

Immer noch möchte Lanz wissen, ob Fleisch in Zukunft für manche Menschen zu teuer sein wird. Diese Annahme setze laut Özdemir voraus, dass alles so bleibe, wie es ist. Doch nicht nur die Preise in der Landwirtschaft müssen umgedacht werden, es müsse eben auch sozialpolitische Veränderungen geben.

„Bio nicht das, wozu wir es machen“

Die investigative Journalistin Anne Kunz stimmt dem Politiker zu. Denn momentan orientiere sich der Hartz-IV-Satz an den Billigprodukten.

Doch die Umstellung auf Bio sei für die Journalistin keine Lösung: „Wir sollten uns eine Sache klar machen: Bio ist nicht das, wozu wir es machen.“ Denn Bio folge bereits der industriellen Landwirtschaft, das sei also genau so Massentierhaltung, wie im konventionellen Bereich. Jedoch gäbe es auch in beiden Bereichen kleine Betriebe, die mit ihren Tieren respektvoll umgehen würden. Ihr Wissen habe sie aus jahrelangen Recherchen.

Kunz Die investigative Journalistin Ane Kunz stimmt dem Politiker zu: Es braucht eine sozialpolitische Veränderung.
Die investigative Journalistin Anne Kunz stimmt Özdemir zu: Es braucht eine sozialpolitische Veränderung. (Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz)

Zu dem Ziel von Özdemir, bis 2030 die Bio-Landwirtschaft von 10 auf 30 Prozent zu erhöhen, sagt die Journalistin: „Es ist machbar, wenn man sehr viel Geld reinpumpt. Das wird aber dazu führen, dass große Betriebe das übernehmen.“

Hier kannst du die Sendung in voller Länge nachschauen.

Utopia meint: Wenn in diesem Gespräch eines deutlich wurde, dann, dass mit der Finanzierung in der Landwirtschaft einiges schiefläuft. Billigste Preise sorgen dafür, dass Tiere unter katastrophalen Bedingungen gehalten werden, Menschen in Schlachthöfen ausgebeutet werden und Landwirt:innen sich um ihre Existenz sorgen.

Auch bei Verbraucher:innen muss ein Umdenken stattfinden, denn sie gestalten die Nachfrage mit. Fleisch sollte nicht als billiges Ramschprodukt gelten, das zu jeder Mahlzeit auf dem Teller landen muss. Wer seltener Fleisch isst, das dafür aus besserer Haltung stammt, hilft den Landwirt:innen, im Preiskampf zu bestehen.

Natürlich ist das auch eine Frage des Geldbeutels. Wir sollten soziale Ungerechtigkeit jedoch nicht gegen Tierwohl ausspielen, sondern beide Probleme angehen.

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