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Landwirt zur Vernichtung von Erdbeerernten: „Der Kunde muss entscheiden“

Aus Frust über die Preispolitik des Einzelhandels zerstören manche Landwirt:innen ihre Erdbeerfelder.
Foto: pexels / mark stebnicki

Aus Frust über die Preispolitik des Einzelhandels zerstören manche Landwirt:innen ihre Erdbeerfelder. Dies sei keine PR, sagt Landwirt Jörg Umberg. Die Lage sei angespannt, dahinter stehe eine wirtschaftliche Not der Betroffenen. Kund:innen könnten seiner Meinung nach gegensteuern.

Im Münsterland in Nordrhein-Westfalen pflügten Landwirt:innen kürzlich ihre Erdbeerfelder um – aus Protest gegen die niedrigen Preise im Lebensmittelhandel. Es lohnt sich ihren Aussagen zufolge nicht, die Produktion fortzuführen. Gleiches gelte für Teile der Spargelernte.

Landwirt:innen prangerten die großen Preispannen für den Einzelhandel an, während ihre Margen klein blieben. Ein Erdbeerbauer schilderte gegenüber dem WDR, dass er für 500 Gramm Erdbeeren derzeit knapp einen Euro und einen Cent vom Einzelhandel bekäme.

Es gibt aber auch noch weitere Gründe, wieso der Verkauf von Erdbeeren bei einigen Landwirt:innen in Deutschland in diesem Jahr nicht rund läuft. Auch hohe Kosten und eine überschaubare Nachfrage trüben vielfach die Geschäfte. Ausgerechnet das gute Wetter im Mai hat dazu beigetragen, erläuterte Eva Würtenberger von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. Das Angebot sei dadurch entsprechend gewachsen. Doch viele Kund:innen kaufen infolge der Inflation weniger als üblich, erklärte etwa die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Viele alltägliche Produkte seien teurer geworden, die Kund:innen verzichteten deshalb auf Lebensmittel wie Erdbeeren. Die Folge: Preisverfall auf im Bundesschnitt unter fünf Euro pro Kilogramm Erdbeeren.

Zugleich seien die Kosten für die Erzeuger:innen in den vergangenen Monaten gestiegen, zum Beispiel für Dünger, Pflanzenschutzmittel, Jungpflanzen oder wegen der höheren Energiepreise auch für den Transport, sagte Würtenberger der Deutschen Presse-Agentur. Für viele Produzent:innen sei die Situation deswegen schwierig.

„Unsere Erzeuger mit Dumping-Importen konfrontiert“

Ein weiterer Faktor, der zu Frustration auf Seiten der Landwirt:innen führt, sind Importe aus dem Ausland. „Unsere Erzeuger mit Dumping-Importen konfrontiert, wie zum Beispiel drei Euro für ein Kilogramm Spargel aus Italien“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der dpa. So könne man nicht produzieren. „Da legt man drauf. Die Folge ist, dass einzelne Betriebe Teilflächen schon vorab aus der Ernte genommen haben, weil es sich nicht rechnet.“

So geschehen bei Landwirt Jörg Umberg. Im Interview mit dem ZDF erklärte er, dass er manche Spargel-Anlagen aus Kosten-Gründen gar nicht erst oder für eine kürzere Zeit genutzt hätte. Lebensmittel seien dabei nicht vernichtet worden. Dennoch sagt er über die Zerstörung mancher erntereifer Ware: „Diejenigen haben wahrscheinlich keinen anderen Weg gesehen, um auf ihre Not hinzuweisen. Sie haben es garantiert nicht nur aus PR gemacht“, so Umberg. Das grundsätzliche Problem sei, dass Landwirt:innen derzeit Verlust mit ihrer Ernte machten.

„Der Kunde muss dann entscheiden, wann und wie oft er das kauft“

Umberg kritisierte, zu welchem Zeitpunkt Produkte aus dem Ausland – etwa den Niederlanden, Spanien oder Belgien – importiert werden. Dem ZDF sagte er: „Muss ich mitten in der deutschen Saison Spargel mit entsprechendem Sprit-Verbrauch 4.000 Kilometer durch Europa fahren, wo der Lkw möglicherweise noch auf der Rückfahrt leer fährt.“ Dies sei eine Frage, die der Lebensmitteleinzelhandel beantworten müsse. Doch auch die Verbraucher:innen sieht Umberg in der Pflicht. „Der Kunde muss dann entscheiden, wann und wie oft er das kauft.“

Utopia meint: Die Beweggründe der einzelnen Landwirt:innen sind nachvollziehbar, auch wenn die Zerstörung der Ernte nicht die Lösung sein kann und die Frage bleibt, warum die Felder nicht etwa für eine kurze Zeit zum Selbstpflücken freigegeben wurden. Die dahinterstehende Entwicklung legt in jedem Fall ein System offen, das krankt. Schließlich macht es – folgt man der Argumentation der Betroffenen – die Vernichtung von Nahrungsmitteln erforderlich, um ökonomisch zu wirtschaften. Das ist höchst bedenklich, da die Lebensmittelverschwendung in Deutschland ohnehin ein riesiges Problem darstellt. Zur Verschwendung von Nahrungsmitteln zählt nämlich auch die Primärproduktion: Also Lebensmittel, die noch auf dem Acker entsorgt werden.

Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) werden jedes Jahr insgesamt 12 Millionen Tonnen Nahrung entsorgt, die gar nicht erst auf den Tellern der Menschen landen – davon fallen 1.4 Millionen Tonnen in der Primärproduktion an. Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe zufolge dürfte die verschwendete Menge auf den Feldern jedoch zehn Mal höher sein als bisher offiziell erfasst wird. Neben einer strukturellen Veränderung, die es angesichts des aktuellen Misstands braucht, kann es deshalb ratsam sein, dass wir Verbraucher:innen Erdbeeren oder Spargel regional vom Hof der Landwirt:innen kaufen – und auch im Einzelhandel faire Preise dafür bezahlen. Worauf du sonst noch beim Erdbeer-Kauf achten solltest, hat Utopia hier zusammengefasst: Erdbeeren: Wann kaufen? Sind Erdbeeren aus Spanien empfehlenswert?

Mit Material der dpa

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