Ziegenkäse – für viele Menschen ist er derzeit das liebste Topping auf dem Salat. Das Problem dabei: Der Appetit auf Ziegenmilch-Produkte steigt, der auf Ziegenfleisch nicht. Was passiert also mit dem männlichen Nachwuchs und wie sieht die Milchziegenhaltung in Deutschland überhaupt aus? Utopia hat einen Blick in den Ziegenstall geworfen.
Für Veganer:innen kommt es nicht in Frage, doch viele Veggie-Fans freuen sich, wenn sie im Restaurant den bunten Salatteller nicht nur mit Putenstreifen, sondern auch mit gratiniertem Ziegenkäse bestellen können. Aber nicht nur dort: Ziegenmilch und vor allem Ziegenkäse wurden in den vergangenen Jahren insgesamt immer beliebter.
Doch die gestiegene Nachfrage zieht Probleme nach sich. Für uns ein Anlass, uns die Ziegenhaltung in Deutschland ein wenig genauer anzusehen. Wir wollten herausfinden, ob Ziegenkäse von der idyllischen Wiese stammt oder ob er heute bereits mit ähnlichen Problemen wie die Kuhmilchproduktion – Massentierhaltung, Tierleid und Klimabelastung – kämpft.
Ist die Milchziegenhaltung in Deutschland verbreitet?
Die Ziegenhaltung in Deutschland fristet im Vergleich zur Milchviehhaltung nach wie vor ein Nischendasein, auch wenn manche Betriebe von Kühen auf Ziegen umstellen: Rund 140.000 Ziegen werden hierzulande gehalten, die Zahlen stammen aus einer Schätzung vom statistischen Amt der EU (Eurostat). Dieser Anzahl stehen alleine in Bayern etwa drei Millionen Milchkühe gegenüber.
Anders sieht es im europäischen Ausland aus; laut EU-Kommission sind Griechenland, Spanien, Frankreich und Rumänien die Länder mit dem größten Ziegenbestand. Insgesamt werden innerhalb der EU fast elf Millionen Ziegen gehalten. Zum Vergleich: Der Milchkuhbestand liegt bei etwa 20 Millionen Tieren.
Ziegenmilch bleibt Nischenprodukt, Bio-Haltung dominiert
Ein entscheidender Unterschied zwischen Milchziegen und Milchkühen besteht – zumindest in Deutschland – bei den Haltungsbedingungen. Wie Andrea Kaufmann, Geschäftsführerin des Landesverbands Bayerischer Ziegenzüchter e.V. (LBZ), gegenüber Utopia erklärt, ist der Bio-Anteil bei der Ziegenmilchproduktion sehr hoch. In Bayern, wo neben Baden-Württemberg die meisten Ziegen in Deutschland gehalten werden, liegt er bei mehr als 80 Prozent. Hauptabnehmer der Ziegenmilch sind dort die Bio-Molkerei Andechs sowie kleinere Molkereien im Allgäu.
So werden Ziegen hierzulande gehalten
Ziegen haben einen großen Bewegungsdrang. Der Bundesverband Deutscher Ziegenzüchter e. V. (BDZ) empfiehlt für Ziegen deshalb die Stallhaltung in Kombination mit einer Weidehaltung samt Witterungsschutz. Dort können sich die Tiere dauerhaft bewegen. Bei der Bio-Ziegenhaltung innerhalb der EU müssen die Tiere bei einer ganzjährigen Stallhaltung, wann immer es die Bedingungen zulassen, einen Zugang zu einem Außenbereich haben.
Die Anbindehaltung ist für Ziegen zwar in Deutschland nicht verboten, doch der Verband erklärt: Die „ständige Anbindehaltung ist nicht tiergerecht und deshalb abzulehnen.“ Konkrete Zahlen, in welcher Haltungsform Ziegen hierzulande leben, konnte der BDZ nicht liefern. Geschäftsführerin Kaufmann ist in Bayern keine Anbindehaltung bekannt.
Natürlicherweise entwöhnen die Mutterziegen ihren Nachwuchs nach etwa fünf Monaten. Der BDZ teilt uns mit, dass der Nachwuchs üblicherweise „zwischen der 10. und 12. Lebenswoche vom Muttertier getrennt“ werde, bei Milchziegen in der Regel früher als bei Ziegen, die zur Fleischerzeugung gehalten werden. Das ist nur etwa halb so lang, wie die Ziegenkitze normalerweise bei ihrer Mutter bleiben würden. Doch im Vergleich zu den Milchkühen eine lange Zeit, denn in Milchviehbetrieben werden die Kälber in der Regel kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt und separat aufgezogen.
In Deutschland ist die Enthornung bei Ziegen nicht erlaubt, das deutsche Tierschutzgesetz verbietet in §6 Amputationen bei Wirbeltieren und legt für das Enthornen von Ziegen keine Ausnahme fest – Rinder darf man bis zum Alter von sechs Wochen ohne Betäubung enthornen. Kastrieren darf man bis zu vier Wochen alte männliche Ziegen sogar ohne Betäubung. Der BDZ empfiehlt, dass Halter:innen „über die Gestaltung des Stalles und das Management“ dazu beitragen, dass die Ziegen sich nicht gegenseitig mit ihren Hörnern verletzen.
Ziegen geben auch ohne Nachwuchs Milch
Was viele nicht wissen: Anders als Milchkühe müssen Ziegen nicht laufend trächtig sein und Nachwuchs bekommen, um Milch zu geben. „Es ist ohne Probleme möglich, Ziegen durchgehend zu melken, auch wenn sie zwei bis drei Jahre keinen Nachwuchs bekommen“, erklärt uns Andrea Kaufmann vom LBZ. Die selteneren Trächtigkeiten bei Ziegen seien auch logistisch von Vorteil: Ziegen bekommen in aller Regel zwei Kitze. Würden die Ziegen also jedes Jahr Nachwuchs bekommen, würden sich die Ziegenherden schnell vervielfachen.
Die Geschäftsführerin des LBZ betont im Gespräch mit Utopia einen kaum bekannten Vorteil der Ziegenhaltung: Ziegen seien für die Landschaftspflege mindestens so wichtig wie Schafe. Die Schafhaltung wird oft als ökologisch wertvoll bezeichnet, da die Wanderschafherden die sonst ungenutzten Wiesen „mähen“ und so für eine offene Landschaft und eine große Artenvielfalt sorgen.
Doch „Ziegen fressen auch Sträucher, die Schafe oder andere Tiere verschmähen“, weiß Andrea Kaufmann. Deshalb führen große Schafherden immer auch Ziegen mit.
Männlicher Ziegennachwuchs: „Können Problem nicht wegdiskutieren“
Insgesamt klingen die Aussagen der Zuchtverbände relativ idyllisch und nach viel Tierwohl. Doch mit der Produktion von Ziegenmilch geht ein weiteres „Produkt“ einher: die männlichen Zicklein, die keine Milch geben. Was passiert mit dem männlichen Ziegen? Werden sie sofort geschlachtet oder aufgezogen?
„Wir können das Problem mit den männlichen Ziegen nicht wegdiskutieren“, stellt Kaufmann klar. Für Ziegenböcke bleibt nur die Schlachtung oder in deutlich selteneren Fällen die Zucht. Durch den kleineren Tierbestand und die selteneren Geburten sei die Thematik zwar nicht so groß wie in der Rinderhaltung, doch der männliche Nachwuchs bleibe ein Problem.
Zumindest hat sich das Engagement von staatlicher Seite dafür ein wenig erhöht, dass Jungkitze nicht mehr ins Ausland exportiert werden, sondern in Deutschland bleiben sollen. Projekte wie zum Beispiel Allgoiß und Goatober sollen Ziegenfleisch bekannter und mehr Verbraucher:innen schmackhaft machen.
Immerhin: Die Aufzucht der heimischen Schlachtziegen findet in den Milchziegenbetrieben statt. Anders als bei der Schweine- und Rinderzucht entfallen deshalb Transporte der Jungtiere in große Mastbetriebe – wenn die Tiere vor Ort aufgezogen und nicht ins Ausland verkauft werden.
Ist der Verzehr von Ziegenfleisch die Lösung?
Noch ist die Nachfrage nach Ziegenfleisch aber bei weitem niedriger als die nach Ziegenmilch. Viele Tiere werden deshalb weiterhin ins Ausland verkauft oder zu Tierfutter verarbeitet. Ist die Lösung des Dilemmas folglich, dass wir in Deutschland, wenn wir Ziegenkäse essen wollen, auch mehr Ziegenfleisch kaufen sollen? Das Fleisch ist laut Andrea Kaufmann fettarm und enthält wenig Cholesterin.
Für Menschen, die vegetarisch oder vegan leben, kommt der Konsum von Ziegenfleisch nicht in Frage. Doch für Menschen, die nicht auf Fleisch verzichten und gerne Ziegenkäse essen oder Ziegenmilch trinken, liegt der Gedanke nahe, dass hin und wieder ein Stück Ziege oder Ziegenbock auf dem Teller landen darf. So zynisch das in vielen Ohren klingen mag: Dies könnte das große Ungleichgewicht bei der Nachfrage abfedern und so verhindern, dass männliche Ziegen auf lange Tiertransporte geschickt werden.
Dabei darf und kann der vermehrte Verzehr von Ziegenfleisch natürlich nicht die Lösung sein. Besser für Tiere, Umwelt und Landwirt:innen ist ein bewusster Verzehr von Ziegenmilchprodukten, der Regionalität und Qualität mitdenkt (unten dazu mehr).
Ist Ziegenmilch gesund?
Ziegenmilch schmeckt deutlich intensiver als Kuhmilch, setzt sich aber ähnlich zusammen. Beide Milchvarianten liefern Vitamine, Calcium, Jod und Kalium sowie Folsäure. Entgegen anders lautenden Gerüchten ist Ziegenmilch auch nicht laktosefrei.
Gesundheitlich notwendig ist das Trinken von Milch – egal ob von Kuh oder Ziege – nicht. Pflanzliche Milchalternativen wie etwa Hafermilch belasten die Umwelt in der Herstellung deutlich weniger.
Ist Ziegenmilch besser fürs Klima als Kuhmilch?
Ziegen sind ebenso wie Kühe Wiederkäuer und stoßen das Treibhausgas Methan aus, welches mehr als 20-mal wirkungsvoller ist als CO2. Insgesamt zählt die Nutztierhaltung zu den größten Klimakillern überhaupt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der Wasserverbrauch ist hoch, die Tiere brauchen viel Futter und Platz.
Lies auch: Milch kaufen, aber welche: Bio? Heumilch? Fair? Regional? Frischmilch? Vollfett?
Gerhard Flachowsky, ehemaliger Direktor des Instituts für Tierernährung, sagte der Deutschen Welle, Ziegenmilch habe einen vergleichbaren C02-Fußabdruck wie Kuhmilch. Klimafreundlich ist Ziegenmilch deshalb nicht.
Übrigens: Ziegen werden nicht nur zur Milchgewinnung gehalten, Angora- und Kaschmirziegen tragen begehrte Wolle am Körper, der BDZ erklärt uns aber, dass sich die deutsche Produktion hauptsächlich auf den Hobbybereich beschränkt. Lies auch: Mohair-Wolle: Besonderheiten und Kritik
Ziegenkäse kaufen: Darauf solltest du achten
In den Regalen konventioneller Supermärkte und Discounter findest du zwar Ziegenkäse und andere Ziegenmilchprodukte, doch der Käse ist nur äußerst selten aus Deutschland. Frankreich ist hier unangefochtener Marktführer.
Bei Ziegenkäse und Ziegenmilch solltest du wie bei allen tierischen Produkten besonders auf die Herkunft achten und regionale Bio-Produkte bevorzugen. Die Bio-Siegel von Bioland, Naturland und Demeter haben dabei strengere Kriterien als das EU-Bio-Siegel.
Produkte mit diesen Siegeln findest du in Bio-Supermärkten, auf Wochenmärkten und in der Bio-Abteilung gut sortierter Supermärkte. Auch in Hofläden oder direkt bei den Erzeuger:innen kannst du heimischen Ziegenkäse kaufen. Dort kannst du auch nach Ziegenfleisch fragen. Doch bei allen tierischen Produkten – Fleisch ebenso wie Milch und Käse – gilt für uns: Weniger ist mehr.
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