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Video-Debatte um die Klimakrise: Luisa Neubauer kontert Kanzlerin Merkel

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Screenshot: Mediathek 3. Ökumenischer Kirchentag

Beim Ökumenischen Kirchentag verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung – auch gegenüber der Aktivistin Luisa Neubauer. Diese ließ ihre Beschwichtigungen nicht gelten.

Am Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt nahm dieses Jahr hochkarätiges Publikum teil. An einer Diskussion zum Thema „Zukunft geht nur gemeinsam: Warum Klimaschutz alle Generationen braucht“ beteiligten sich am Samstag unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Die digitale Diskussionsrunde war im Vorfeld aufgezeichnet worden.

„In einer Demokratie muss ich auch immer Mehrheiten für etwas bekommen“

Angela Merkel und Luisa Neubauer vertraten in der Runde unterschiedliche Ansichten dazu, wie Klimaschutz in der Politik auszusehen habe. So erklärte die Kanzlerin: „Ich verstehe auch – und das macht mich auch ein bisschen betrübt natürlich – dass junge Leute sagen: ,Mann, mussten wir erst zum Gericht gehen, ehe die uns da mal in der Regierung wirklich das geben, was uns zusteht.’“

Dabei bezog sie sich auf die Verfassungsbeschwerde, die mehrere Klimaschützer:innen eingereicht hatten. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber daraufhin dazu verpflichtet, das deutsche Klimaschutzgesetz nachzubessern. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine neue Fassung beschlossen.

Doch warb Merkel für Verständnis: „In einer Demokratie muss ich auch immer Mehrheiten für etwas bekommen.“ In ihrem eigenen ländlichen Wahlkreis zum Beispiel laufe der Ausbau von Windkraft nicht reibungslos ab. „Jede neue Stromtrasse, die wir bauen müssen, wird beklagt“, so die Kanzlerin.

Das Meinungsbild habe sich Merkel zufolge zwar gewandelt, aber: „Die Gesellschaft nicht auseinanderfliegen zu lassen, sondern sie zu versöhnen, […] das wird noch ein Stück Arbeit annehmen“. Die Kanzlerin äußerte auch Bedenken, dass irgendwann vielleicht die Klimaleugner stark an Einfluss gewinnen, wenn man die Menschen nicht mitnimmt – und das wolle sie auf keinen Fall.

Luisa Neubauer: Demokratie und Klimaschutz schließen sich nicht aus

Luisa Neubauer warb im Laufe des Gesprächs mehrfach für strengeren politischen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit. Sie konterte Merkels Worte: „Ich finde es ehrlich gesagt sehr schwierig, sozusagen Klimaschutz mit einem ‚Aber wir sind in einer Demokratie‘-Nebensatz einzurahmen, denn es impliziert, es würde die Demokratie sein, die uns im Weg steht. Dabei ist eine intakte, souveräne und gestärkte Demokratie unser wichtigstes Werkzeug auf dem Weg Richtung Klimagerechtigkeit.“

Die Frage sei Neubauer zufolge nicht: Wie viel Klimaschutz können wir uns leisten, bevor die Demokratie überstrapaziert wird? Sondern: Was brauchen Demokratien im 21. Jahrhundert, um uns durch diese Krisen zu bringen? Wie müssen sie ausgerüstet sein? „Denn offensichtlich ist ja das:“, folgerte die Aktivistin, „Mehr Klimakrise wird unseren Demokratien auch nicht guttun.“

Auch auf das Thema „Energiewende“ kam Neubauer zu sprechen: In einer Industrienation, die „so fossil verwoben ist, wie die unsere“ seien natürlich „bisher demokratische Strukturen auf die Fossilität hin ausgerichtet.“ Zudem erklärte die Aktivistin: „Im Rheinland dürfen Menschen und Dörfer enteignet werden, damit die Braunkohle expandiert. Gleichzeitig entscheidet man sich für eine pauschale 1000-Meter-Abstandsregelung zur Windkraft.“ Dies sei kein demokratischer Grundsatz, der uns vorschreibe, dass wir uns nicht mehr Klimaschutz leisten können, sondern eine politische Frage: In welche Richtung gehen wir?

Klimagerechtigkeit funktioniert nur, wenn sich alle dran halten

Im Laufe der Diskussion erörterte Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrere Strategien, um in Deutschland Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Die verschärften Klimaschutz-Beschlüsse der Bundesregierung sehen zum Beispiel eine Minderung des CO2-Ausstoßes bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 vor. Außerdem wären Verhaltensänderungen von uns allen zwingend erforderlich. „Wir können sehr, sehr gut auf 20 Prozent der Produktion verzichten, wenn wir bewusster mit den Dingen umgehen“, erklärte die Kanzlerin.

Doch auch das verschärfte Klimaschutzgesetz reicht Fridays For Future zufolge nicht. Mit dem neuen Gesetz soll Deutschland 2045 Klimaneutralität erreichen – das Pariser Klimaschutzabkommen sieht das jedoch bis 2035 vor. In Anlehnung darauf erklärte Neubauer: „Paris, Klimagerechtigkeit  – all das funktioniert nur, wenn sich alle dran halten. […] Wir halten uns gerade nicht an Paris, von wem wollen wir das sonst noch in der Welt erwarten?“

Dem musste auch Kanzlerin Merkel zustimmen – Deutschland habe eine Vorbildrolle. Sie lenkte schließlich ein: „Es wird notwendig sein, dass wir immer Treiber brauchen. Deshalb erfüllt Fridays for Future hier eine wichtige Aufgabe.“ Auch Politiker:innen wie sie müssten sich dafür einsetzen, möglichst viele Menschen mitzunehmen auf diesem Weg.

Das volle Gespräch kannst du dir in der Mediathek des 3. Ökumenischen Kirchentags ansehen.

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