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Wie geht fairer Lohn? „Müssen weg von der Vergütung pro Stunde“

Wie geht fairer Lohn? "Müssen weg von der Vergütung pro Stunde"
Foto: CC0 / Unsplash / Christina @ wocintechchat.com

Ein neuer Arbeitsbegriff muss her, der nicht-erwerbstätige Arbeit einschließt und einen fairen Lohn garantiert, so eine Expertin. Sie erläutert, warum kürzere Arbeitszeiten sinnvoll sind und der Stundenlohn oft nicht aufgeht.

In einem Interview mit dem Spiegel spricht die Politikwissenschaftlerin und Autorin Barbara Prainsack über die aktuelle Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Lohnunterschiede aufgrund besonderer Talente, Ausbildung und Verantwortung seien dabei zwar gerechtfertigt. Jedoch bestehe ein starker Kontrast zwischen dem schwindenden Einkommen bei vielen Arbeitnehmer:innen auf der einen Seite und dem rasanten Anstieg des Lohnes bei Höchstverdiener:innen. „Das ist in den vergangenen Jahren eskaliert“, kommentiert sie.

Prainsack lehrt an der Universität Wien und ist Expertin für Technologie-, Wissenschafts- und Gesundheitspolitik. Eine Arbeitszeitverkürzung auf eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich könne ihr zufolge als gerechte Kompensation für die verdichtete Arbeit der vergangenen Jahre gesehen werden.

Das Konzept des Stundenlohns sieht die Expertin dabei kritisch. Für einige Berufszweige sei es völlig ungeeignet und überholt. „Wir müssen weg von der Vergütung pro Stunde, zumindest bei Wissensarbeitern“, empfiehlt sie. Stattdessen sollte man das Arbeitsergebnis oder die Arbeitsqualität entlohnen. In manchen Branchen bleibe die Vergütung pro Stunde jedoch unerlässlich, beispielsweise bei Kurierfahrer:innen. Zudem fordert Prainsack, auch unbezahlte Sorgearbeitende besser abzusichern.

Sechs Stunden pro Tag: Die optimale Arbeitszeit

Studien zeigen laut Prainsack, dass sechs Stunden Arbeit pro Tag optimal für das Wohlbefinden und die Produktivität der Beschäftigten seien. Obwohl die Stunden reduziert werden, bedeute dies dabei nicht zwangsläufig eine Leistungsverminderung. Im Gegenteil könnten sich Beschäftigte erholter und fokussierter der Arbeit widmen und dadurch kreativer und schneller werden. Auch Unternehmen könnten von einer Vier-Tage-Woche profitieren: So seien Mitarbeitende mit reduzierter Arbeitszeit mit höherer Wahrscheinlichkeit freundlicher zu Kund:innen und fielen seltener aus.

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„Wer mehr Rechte einfordert und mehr Lohn, bekommt die Rute gezeigt“, beschreibt sie die vorherrschende Dynamik. Dass sich Arbeitnehmer:innen die aktuellen Ungleichheiten bei der Entlohnung gefallen lassen und hohe Wochenarbeitsstunden in Kauf nehmen, liegt laut Prainsack an den jetzigen Machtstrukturen und Narrativen. Ein Beispiel dafür ist die „Roboterapokalypse“ – also die Idee, dass ein Großteil der Arbeitsplätze bald sowieso durch künstliche Intelligenz ersetzt würde. Auch Binsenweisheiten wie „Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es allen gut.“ trügen zu den bestehenden Machtverhältnissen bei.

Prainsack sieht jedoch keine Gefahr darin, dass künstliche Intelligenz ganze Jobs ersetzen wird. Stattdessen würden vor allem Routineaufgaben wegfallen und neue Aufgaben entstehen. Dennoch werde die Arbeitswelt noch weiter auseinanderdriften, da es für einige noch leichter werde, gut bezahlte Arbeit zu finden, während andere immer prekärer beschäftigt seien.

Machtverschiebung durch Arbeitskräftemangel

Die aktuellen Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt müssen jedoch in dieser Form nicht weiter bestehen. Laut Prainsack könne der aktuelle Mangel an Arbeitskräften dazu führen, dass sich Machtverhältnisse verschieben. So sei die Nachfrage nach Arbeitskräften mit bestimmten Fähigkeiten an bestimmten Orten schließlich aktuell höher als das Angebot. Arbeitgeber:innen müssen so also um Arbeitnehmer:innen konkurrieren und nicht umgekehrt.

Arbeitnehmende seien sich jedoch noch nicht vollständig bewusst, welche Macht sie durch den Arbeitskräftemangel erhalten haben. Insbesondere in weniger privilegierten Berufen und Branchen fehle das Bewusstsein. Prainsack betont: Dass manche Arbeitnehmenden sich nicht gut informieren und organisieren können, hänge auch mit Scham zusammen. Wer einen Job habe, der in unserer Gesellschaft stigmatisiert und wenig angesehen ist, und wenig verdient, fühle sich dadurch weniger berechtigt, sich zu informieren und sich zu organisieren, so die Expertin.

Auch Scham sei ein „Herrschaftsinstrument“, sagt sie, das Arbeitnehmenden den Zugang zu besseren Jobs schwieriger macht: Menschen, die einen Job haben, der in unserer Gesellschaft stigmatisiert und wenig angesehen ist, würden sich dadurch weniger berechtigt fühlen, sich zu informieren und sich zu organisieren.

Die These, man könne dem Arbeitskräftemangel einfach mit einer noch höheren Wochenarbeitszeit begegnen, lehnt Prainsack deutlich ab. Eine Erhöhung der Regelarbeitszeit würde nicht automatisch zu einer Erledigung von mehr Aufgaben führen. Stattdessen würden sich noch mehr Menschen für Teilzeit entscheiden als heute und die Arbeitsbelastung würde weiter steigen. „Wer die Wochenarbeitszeit weiter erhöht, senkt die durchschnittliche Produktivität pro gearbeitete Stunde.“ Dauerhaft gestresste und überforderte Arbeitnehmer:innen seien außerdem öfter krank.

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