Der Klimawandel schreitet unerbittlich voran und Politik und Wirtschaft reagieren gewohnt träge. Dafür engagieren sich immer mehr Privatpersonen für Klimaschutz – aber bringt das überhaupt was? Und was sind die effizientesten Maßnahmen? Wir haben bei zwei Experten nachgefragt.
Vegetarier:innen, Zero-Waste-Verfechter:innen und ökologisch Engagierte haben bestimmt schon einmal folgende Argumente gehört:
- „Aber der Einzelne kann doch sowieso nichts bewirken.“
- „Wenn ich auf etwas verzichte, macht das eh keinen Unterschied.“
- „Unsere Emissionen sind doch völlig egal, im Vergleich zur Industrie.“
- Oder einfach: „Umweltschutz ist mir zu anstrengend.“
Da bleibt nur: Geduldig zuhören, gelassen reagieren und – wenn möglich – mit Argumenten umstimmen. Denn: Auch Einzelne können natürlich viel erreichen, wenn sie es richtig angehen.
Emissionen senken: 4 Bereiche sind entscheidend
Privatpersonen stoßen in Deutschland durchschnittlich 11,17 Tonnen Treibhausgase aus. Zum Vergleich: Um die Klimaziele zu erreichen, sollten wir bis 2050 nur eine Tonne pro Person und Jahr ausstoßen. Bis wir alle klimafreundlich leben, ist es also noch ein weiter Weg. Was tun?
Beim Kaffee auf den Plastikstrohhalm zu verzichten und zum Einkaufen den Stoffbeutel mitzunehmen, ist ein guter Anfang, wenn es um die CO2-Bilanz geht – mehr aber auch nicht. „Leider schätzen viele ihre eigene Ökobilanz ganz falsch ein“, warnt Prof. Dr. Rainer Grießhammer, Chemiker und Professor für Nachhaltige Produkte an der Uni Freiburg. Würde man zum Beispiel auf Plastiktüten verzichten, aber nach Australien fliegen, dann setze allein der Flug die Emissionen von circa 500.000 verbrannten Kunststofftüten frei. Wichtiger sei es, die großen Hebel umzulegen.
Das sieht auch Dr. Michael Bilharz vom Umweltbundesamt so. Entscheidend sind die sogenannten „Big Points“ eines nachhaltigen Konsums – also Punkte, über die wir unsere Emissionen besonders effizient senken können. Gegenüber Focus Online führt er die großen Bereiche Energie, Wohnen, Mobilität und Ernährung auf.
Denn von den Treibhausgasen, die wir Privatpersonen im Durchschnitt ausstoßen, entfallen laut Umweltbundesamt rund
- 20,6 Prozent auf den Bereich Heizen und Strom,
- 18,8 Prozent auf Mobilität,
- 15 Prozent auf Ernährung und
- 39,3 Prozent auf sonstigen Konsum (Zahlen von 2017).
Die letzte Kategorie überschneidet sich mit einigen der Bereiche, weil zum Beispiel auch gekaufte Autos oder Elektrogeräte dazuzählen.
Klimafreundlich leben: 10 effektive Maßnahmen, die du sofort umsetzen kannst
Heizen, fahren, essen, konsumieren – wie können wir unsere Emissionen in diesen Bereichen am effizientesten reduzieren? Laut dem Nachhaltigkeitsexperten Prof. Dr. Grießhammer zählen die folgenden zehn Maßnahmen zu den effektivsten für Privatpersonen.
Einmalige Maßnahmen:
1. Warmwasser reduzieren: Schaffe dir für die Dusche zum Beispiel einen Sparduschkopf und Durchflussbegrenzer an und statte Wasserhähne mit Perlatoren aus. (Einen Sparduschkopf gibt’s** zum Beispiel bei Obi oder Amazon.)
- Aufwand: circa 50 Euro und etwas Handarbeit
- Ersparnis: 300-600 Kilo CO2 pro Jahr (je nach Verbrauch)
2. Heizenergie sparen: Schritt eins ist einfach: Stelle das Thermostat auf ein Grad weniger ein. Auch automatische Thermostatventile können Energie sparen. Dämme Heizkörpernischen und undichte Fenster ab.
- Aufwand: Kommt auf den Zustand des Hauses oder der Wohnung an. Ein Grad weniger Hitze wirst du kaum merken.
- Ersparnis: 300-600 Kilo CO2 pro Jahr (je nach Verbrauch)
3. Strom sparen: Stelle die Kühlschranktemperatur auf sieben Grad hoch – das reicht völlig. Statte deine Lampen mit LEDs aus und schaffe dir Steckerleisten und Zeitschaltuhren an, damit deine Geräte nicht im Standbymodus weiterlaufen. (Steckerleisten mit Schalter findest** du u.a. bei Memolife, Obi.de, Ebay, Amazon.)
- Aufwand: ein paar Euro pro Gerät
- Ersparnis: 200-400 Kilo CO2 pro Jahr (je nach Verbrauch)
Lies auch: Strom sparen: Stromspartipps, die du noch nicht kanntest
4. Energetisches Upgrade: Diese Maßnahme ist sehr umfassend und nicht gerade billig, spart aber jahrelang Heizkosten ein. Mieter:innen können es mit einer freundlichen Mail an den oder die Vermieter:in versuchen, in der sie die Vorzüge von Sanierungsmaßnahmen hervorheben.
- Aufwand: Variiert nach Zustand des Hauses. Tipp: Institute wie die KfW-Bank unterstützen energetische Sanierungen mit Fördermitteln.
- Ersparnis: 1.000 – 2.000 Kilo CO2 pro Jahr (hängt von Größe des Hauses ab)
5. Effizienter Neuwagen: Dein altes Auto ist kaputt? Dann schaffe dir einen möglichst nachhaltigen Nachfolger an. Dieser sollte so klein wie möglich sein, wenig verbrauchen und am besten elektrisch fahren. Tipp: Wenn du in der Stadt lebst, kannst du vielleicht auch ganz auf ein Auto verzichten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad fahren.
- Aufwand: Elektroautos kosten mehrere tausend Euro. Einen kleineren Gebrauchtwagen mit geringem Verbrauch bekommst du deutlich billiger.
- Ersparnis: 300 – 500 Kilo pro 10.000 Kilometer
Verhaltensänderungen:
6. Spritsparend fahren: Bleib auf der Autobahn unter 130 km/h und räume dein Auto möglichst frei von unnötigem Ballast – das schließt auch den Dachgepäckträger mit ein.
- Aufwand: ein paar Minuten Zeit zum Entrümpeln
- Ersparnis: 300-500 Kilo CO2 pro 10.000 Kilometer
7. Carsharing und Co.: Für den Weg ins Büro hast du viele Optionen. Ersetze jede fünfte Fahrt durch die Bahn, eine weitere durch das Rad. Und mache ab und zu Homeoffice oder nutze Carsharing.
- Aufwand: Etwas Planung und Muskelkraft
- Ersparnis bei den genannten Maßnahmen: circa 1.000 Kilo CO2 pro 10.000 Kilometer
8. Rad fahren: Für kurze Strecken brauchst du das Auto nicht. Wenn du dich hierfür auf das Fahrrad schwingst, tust du nicht nur deiner Gesundheit etwas Gutes. Schon drei Kilometer täglich machen einen riesen Unterschied für die Umwelt.
- Aufwand: Etwas mehr Zeit und Muskelkraft
- Ersparnis: 300 Kilo CO2 pro 1.000 Kilometer
9. Ernährung umstellen: Zu einem klimafreundlichen Leben gehört auch, weniger Fleisch und tierische Produkte zu konsumieren. Wer will, kann ganz darauf verzichten – oder Vegetarier:in sowie Flexitarier:in werden.
- Aufwand: Weniger Fleisch und Tierisches essen.
- Ersparnis: Bis zu 990 Kilo CO2 pro Jahr (bei einer veganen Ernährung)
10. Weniger fliegen: Wie viel CO2 du dadurch sparst, hängt davon ab, ob du ganz auf die Reise verzichtest oder mit Bus und Bahn an dein Ziel gelangst. Hier findest du Tipps und Ideen für Urlaub zu Hause.
- Aufwand: Längere Reisezeit – dafür sparst du oft Geld!
- Ersparnis: kein Flug nach Australien – 15.000 Kilo CO2, 1.500 Kilometer mit Bahn statt Flugzeug – 250 Kilo CO2
Viele weitere effektive Tipps listet Prof. Dr. Rainer Grießhammer in seinem Buch „#klimaretten“ auf (verfügbar** bei Buch7.de, Thalia oder bücher.de und im lokalen Buchhandel). Darin kannst du auch prüfen, wie groß dein eigener CO2-Fußabdruck derzeit ist. Oder du ermittelst ihn mit einem CO2-Rechner wie dem des Umweltbundesamtes.
CO2 sparen: Was du sonst noch tun kannst
Du hast die Tipps schon umgesetzt und willst deine CO2-Bilanz weiter verbessern? Dr. Michael Bilharz vom Umweltbundesamt hebt noch weitere Möglichkeiten hervor, die „Big Points“ zu optimieren, zum Beispiel:
- Zu Ökostrom wechseln
- Bio-Produkte kaufen
- Zu einer grünen Bank wechseln
- Einem Klimaschutzverband beitreten
Weitere Tipps aus der Utopia-Redaktion: Klimaschutz: 15 Tipps gegen den Klimawandel, die jede:r kann
Wie schwer ist es, klimaneutral zu leben?
Wer also nicht fliegt, wenig Auto fährt und sich dabei noch überwiegend pflanzlich ernährt, spart schon eine Menge Treibhausgase ein. Wenn sich alle nur ein bisschen anstrengen, würden wir das Zwei-Grad-Ziel dann erreichen?
So leicht ist es leider nicht. Professor Rainer Grießhammer erklärt uns im Interview: „Wenn Sie sich so richtig dahinterklemmen, können Sie Ihre CO2-Emissionen halbieren.“ Im Durchschnitt wären das immer noch 5,5 Tonnen pro Jahr. Um noch klimafreundlicher zu leben, müsse man zum Beispiel in eine kleinere Wohnung oder ein Passivhaus ziehen, oder ein Elektroauto anschaffen sowie generell sehr wenig konsumieren.
Das ist natürlich nicht jedem möglich. Mieter:innen oder Mitglieder einer Eigentümergesellschaft können zudem nicht frei darüber entscheiden, ob und welche Veränderungen an ihrer Wohnung vorgenommen werden.
Klimafreundlich leben: Also können Einzelne doch nichts erreichen?
In Deutschland auf die angestrebte Tonne jährliche CO2-Emissionen pro Kopf zu kommen, ist derzeit eigentlich nicht möglich, so Michael Bilharz vom Umweltbundesamt gegenüber dem Deutschlandfunk. „Das geht im Moment nicht, weil die Infrastrukturen das einfach nicht zulassen.“
Überhaupt: Privathaushalte trugen 2018 nur knapp zehn Prozent zu den nationalen Treibhausgasemissionen bei, nämlich 84 Millionen CO2-Equivalente. Im Vergleich zu anderen Bereichen wie Verkehr (19 Prozent), Energiewirtschaft (34 Prozent) oder Industrie (23 Prozent) ist das tatsächlich wenig. Auf den ersten Blick wirkt es so, als hätten Verbraucher:innen wirklich nicht viel Einfluss auf Emissionen.
Nachhaltigkeitsexperte Professor Grießhammer sieht solche Zuordnungen kritisch: „Die Industrie bezieht zwei Drittel des Stroms aus der Energieversorgung, diesen könnte man also auch der Industrie zurechnen. Oder andersherum betrachtet: Da die Industrie für Konsumenten produziert, könnte man die Emissionen auch den Verbrauchern zuordnen. Diese Art der Kategorisierung lässt sich auf unterschiedliche Weisen lesen.“
Auf eine indirekte Weise haben Vebraucher:innen also auch auf andere Bereiche des nationalen Treibhausgasausstoßes Einfluss – denn sie bestimmen die Nachfrage. „Verhalten und Verhältnisse bedingen sich gegenseitig“, erklärt Grießhammer. „Wenn niemand energieeffiziente Haushaltsgeräte kaufen würde, würde es sie nicht geben. Wenn niemand Ökostrom beziehen würde, würde er nicht angeboten. Wenn keiner radeln würde, gibt es keine Forderungen für bessere Radwege.“
Die Beispiele zeigen: Einzelne Personen können eben doch etwas bewirken, indem sie selbst klimafreundlicher leben – und haben das auch schon getan. Mit ein paar Maßnahmen kannst du deinen persönlichen CO2-Fußabdruck schon deutlich senken und im besten Fall andere inspirieren, deinem Beispiel zu folgen.
Utopia meint: Klimafreundlich leben reicht nicht, aber wir sollten es trotzdem tun
Natürlich ist es nicht fair, die Verantwortung für Klimaschutz komplett auf Konsument:innen abzuwälzen. Politik und Industrie müssen ebenso Maßnahmen entwickeln und dürfen beim Klimaschutz nicht ausschließlich auf Freiwilligkeit setzen.
Aber: Unser persönlicher CO2-Fußabdruck ist der einzige, den wir komplett selbst beeinflussen können. Wenn du ihn verringern möchtest, dann nimm dir ein oder zwei der „großen Hebel“ vor. Sobald du dich daran gewöhnt hast, kannst du mit der nächsten Maßnahme weiter machen. So übernimmst du dich nicht und du kannst nach und nach an deinem CO2-Fußabdruck arbeiten.
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