Was gibt’s heute zu essen, was ziehen wir an? Ganz egal, Hauptsache vegan! Das scheinen immer mehr Verbraucher so zu sehen – doch sie sollten genauer hinschauen.
Ja, der Titel ist provokativ gemeint. Doch er soll auch ein bisschen Debatte anstoßen: Ist vegan das einzig Wahre? Reicht es schon, vegan zu leben – ist man damit in Sachen Umwelt bereits aus dem Schneider und darf „Porsche fahren“? Oder machen es sich die Veganer damit zu einfach?
Nein. Denn selbstverständlich gibt es „die Veganer“ überhaupt nicht. Und die meisten entsprechen auch nicht dem Stereotyp dieses lustigen Buzzfeed-Videos. „Die Veganer“ sind viele Individuen, die jeweils eigene Wege zu einem besseren Leben beschreiten. Vegan heißt da erst mal nur: Ich esse, trinke und verwende nichts, was mithilfe von oder aus Tieren gemacht wurde.
Warum vegan sein?
Warum überhaupt vegan sein? Begründet wird das je nach Lebenssituation oft mit ethischen, aber auch mit gesundheitlichen oder ökologischen Argumenten. Und sie alle sind nicht von der Hand zu weisen.
Die noch immer „normale“ Kost mit viel Fleisch, Milch, Eiern und Käse verbraucht viel Energie, Rohstoffe und Wasser. Sie verursacht viel Tierleid und hinterlässt einen immensen ökologischen Fußabdruck (siehe Earth Overshoot Day). Auch geht mehr Regenwald für Tierfutter-Soja drauf als zum Beispiel für Palmöl. Und ethisch befriedigt die vegane Lebensweise den Wunsch, sich zu ernähren, ohne dabei anderen Lebewesen zu schaden.
Aber: Einfach „nur“ vegan ist eben noch lange nicht nachhaltig. Inzwischen gibt es auch Quatsch mit Vegan-Label – Produkte, die zwar ohne Tier auskommen, nicht aber ohne bedenkliche Folgen für Umwelt, Klima und Gesundheit. Wer bewusst und nachhaltig konsumieren will, für den reicht vegan deshalb nicht aus.
Vegan sollte auch bio sein
Vegane Produkte sind nicht automatisch Bio. Vegan mag man sich gesünder und „ethisch korrekter“ ernähren, aber Umwelt und Klima leiden unter Umständen trotzdem. Pestizide, Kunstdünger und Monokulturen sind in der industriellen Landwirtschaft alltäglich, schaden aber der Natur und letztlich auch dem Konsumenten. Bio ist nicht perfekt, aber besser als konventionell– siehe Studie: Bio ist gesünder.
Betrachtet man das als vegan ausgewiesene Sortiment vieler Läden, ist Bio aber nicht immer die Regel.
Hier muss man gewiss unterscheiden:
- Auf der einen Seite zwischen „guten“ Vegan-Shops, die versuchen, Bio und vegan unter einen Hut zu bringen, weil sie es eben für zusammengehörige Aspekte nachhaltigen Konsums betrachten.
- Auf der anderen Seite Supermärkte und Discounter, die vegane Produkte einfach nur ins Sortiment nehmen, weil‘s gerade schick ist und den Umsatz fördert. Gerade in diesem Fall sind die „Vegan“-Produkte meist nicht Bio, auch sind Fertiggerichte sind trotz Bio-Qualität nicht unbedingt gesund.
Utopia rät: Achte beim Kauf von Obst, Gemüse und verarbeiteten veganen Produkte auf das EU-Bio-Siegel als Minimum. Produkte aus Bio-Anbau enthalten weniger Rückstände chemisch-synthetischer Pestizide, Bio-Landwirtschaft berücksichtigt mehr ökologische Aspekte, Gentechnik ist ausgeschlossen und synthetische Geschmacksverstärker, Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe sind im Endprodukt nicht erlaubt.
Beachte dazu auch unsere Ratgeber Wann Bio wirklich Bio ist und die Bestenliste Bio-Supermärkte.
Update 2018: Es gibt inzwischen das EcoVeg-Siegel, das Bio+vegan auszeichnet:
Vegan sollte regional und saisonal sein
Vegane Produkte sind nicht automatisch regional – das sind Bio-Produkte übrigens auch nicht.
Regionalität und Saisonalität sind wichtige Kriterien, will man seinen Einkauf nicht bloß vegan, sondern wirklich nachhaltig gestalten. Denn alles, was nicht aus der Region kommt, muss mit großem energetischen Aufwand und entsprechenden CO2-Emissionen herbeigeschafft werden. Und was wir hierzulande außerhalb der jeweiligen Saison produzieren oder essen, muss mit viel Aufwand beheizt oder gekühlt werden.
Gerade einige der Produkte, die als Basis veganer Ersatzprodukte verwendet werden, beispielsweise Soja, Reis, Kokos oder Mandeln, tragen zwar das Bio-Label, kommen aber oft (wenngleich nicht immer) aus fernen Ländern.
Das darf man sich – genauso wie bei jeder anderen Ernährungsform – natürlich mal gönnen. Es sollte aber nicht die Basis der Ernährung darstellen.
Utopia rät: Achte beim Kauf veganer Produkte darauf, möglichst regional und saisonal einzukaufen. Beachten dazu unsere Ratgeber Richtig regional einkaufen sowie Bio-Produkte, bei denen du genauer hinschauen solltest – beide lassen sich gut auch auf den veganen Einkauf übertragen. Einige Anbieter, etwa Nagel und Viana, verarbeiten übrigens Soja aus EU-Nachbarländern. Fleischersatzprodukte gibt es auch aus hierzulande angebauter Lupine (Alberts) – und Obst, Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte sowieso.
Vegan sollte auch fair sein
Viele Produkte, die uns alltäglich erscheinen, werden aus fernen Ländern zu uns transportiert. Das allein ist schon schlimm genug, weil lange Transporte nie nachhaltig sind.
Schlimmer ist aber, dass wir mit unserem Konsumverhalten viele Menschen in diesen Ländern ausbeuten. Besonders bei den Produktkategorien Kaffee, Tee, Kakao und Baumwolle ist fairer Handel extrem wichtig, denn was nützt es, Tierleid zu reduzieren, wenn man gleichzeitig Kinderarbeit in Kauf nimmt (siehe: Die bittere Wahrheit über Tee)?
Utopia rät: Egal ob vegan oder nicht – achte bei Import-Produkten darauf, dass diese nicht einfach nur vegan, sondern möglichst auch Fair Trade sind. Lies dazu auch unsere Ratgeber Tee aus fairem Handel und Faire Schokolade – die wichtigsten Siegel.
Vegan sollte auch natürlich sein
Nicht nur Nahrung, auch viele Alltagsprodukte sind oft tierischer Herkunft und werden von Veganern gemieden – zum Beispiel im Bereich Kleidung. Wer auf Leder, Wolle und Seide verzichten will, hat dazu inzwischen viele Möglichkeiten.
Aber: Kunstleder und Kunstfasern werden meist auf Basis von Erdöl hergestellt und sind nicht biologisch abbaubar. Kunststoffprodukte können – genau wie billiges Leder – Schadstoffe an die Haut abgeben.
Utopia rät: Achte bei als „vegan“ beworbener Mode darauf, dass sie aus Natur-Materialien wie etwa (Bio-)Baumwolle, Hanf oder Tencel besteht. Man bekommt solche Kleidung bei einer Reihe von Öko-Labeln, z.B. bleed oder Armedangels. Schuhe gibt es auch aus Naturfasern und Naturkautschuk, z.B. von Ethletic. Das Öko-Modelabel bleed hat sogar ein Leder-Imitat aus Kork entwickelt.
Vegan kann zu Mangelerscheinungen führen
Die Mangelernährungsdebatten im Umfeld veganer Lebensweisen werden hitzig geführt. Relativ unbestritten ist aber, dass Vitamin B12 zu den Dingen gehört, von denen Veganer zu wenig zu sich nehmen, weil das die heute verfügbaren pflanzlichen Nahrungsmittel auf natürliche Weise nicht hergeben.
Man kann gegensteuern, indem man B12-Vitaminpräparate einnimmt. Infolgedessen ist ein Markt für Vitamin-B12-Produkte entstanden: So wird etwa dem milchfreien Soja-Joghurt von Alpro B12 zugefügt, es gibt Vitamin-B12-Zahnpasta, jede Menge B12-Pillen, -Pulver und –Präparate und und und…
Hinzu kommen die „Superfoods“: Sie sind ein Trend nicht nur im Vegan-Bereich, sondern auch im Markt der Bio-Lebensmittel. Kaum eine Messe ohne neue Superfoods. Denen werden dann zahlreiche Wunder zugesprochen – die erstens meist nicht belegt sind und für die zweitens bei gesunder Ernährung auch kein Bedarf besteht.
Utopia rät: Lass dich im Zweifel von einem pragmatischen Arzt beraten und regelmäßig eine Blutuntersuchung durchführen, um mögliche Mängel früh zu erkennen. Übertreibe es nicht mit den Nahrungsergänzungsmitteln und lass ich nicht mit teuren Voodoo-Präparaten und Functional Food abzocken. Auch einfache Vitamin-B12-Präparate sind wirksam, hingegen gilt die Wirkung von B12-Präparaten auf Algenbasis als ungenügend, wenn nicht gar schädlich. Seriöse B12-Ratgeber findest Du beim Vebu und der Veganen Gesellschaft.
Manche Vegan-Produkte sind Unsinn
Wenn man sich im (Vegan-) Supermarkt oder Bioladen umsieht, bekommt man das Gefühl: Es mehren sich unsinnige Produkte, die einen veganen Markt bedienen sollen. Da gibt es vieles, was besonders nährstoffreich sein soll, sowie Lebensmittel, die wie „Käse“, „Wurst“ und „Fleisch“ aussehen oder schmecken, deren Zutaten man aber pur lieber nicht essen würde oder die praktisch keinen Nährwert haben.
Wir wollen diese Ersatzprodukte gar nicht pauschal verdammen: Wer den ersten Schritt machen und etwas veganer leben will, der soll sie ruhig ausprobieren. Aber ein tägliches Soja-Schnitzel ist eben genauso Unsinn wie „vegane Ente“, „vegane Garnelen“ und ähnliche Produkte, die oft nur aus Wasser, Stärke, Verdickungsmittel, Aromen und Farbstoff bestehen.
Utopia rät: Auch Veganer sollten hochverarbeitete Fertigprodukte meiden und darauf achten, dass ihre Lebensmittel möglichst wenig Zusatzstoffe und E-Nummern aufweisen. Denn vegane Fertigprodukte sind genauso wenig gesund wie nicht-vegane. Lies auch: Zutatenliste richtig lesen.
Fazit: auch vegan geht besser
Ein bisschen veganer zu sein tut unserer Gesellschaft und der Umwelt ganz gut, aber man sollte dabei nicht naiv sein: Billige Zutaten und hohe Preise finden gerne zusammen in einem Nischenmarkt, der nicht nur, aber eben auch, von Modeerscheinungen geprägt ist. Achte auch bei veganen Lebensmitteln auf Bio-Siegel, auf regionale Herkunft, auf saisonale Produktion, auf fairen Handel und auf gesunde Zutaten – dann kannst mit noch besserem Gewissen gut leben.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Kann man ein bisschen vegan sein?
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